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0144 - Nacht über Manhattan

0144 - Nacht über Manhattan

Titel: 0144 - Nacht über Manhattan
Autoren: Heinz Werner Höber
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»Okay, Sir«, sagte ich. »32. West. Geht in Ordnung.«
    Ich schlug die Tür hinter meinem Fahrgast zu und setzte mich ans Steuer. Es war abends gegen halb neun, und ich hatte in der ersten halben Stunde meines Dienstes noch keinen Fahrgast gehabt.
    Mein Standort war der Union Square, jener mit Grünflächen bestückte Platz, der von der 14. nach Norden bis zur 17. Straße reichte. Von da bis zur 32. war es für New Yorker Verhältnisse kein weiter Weg.
    Ich fuhr den Broadway immer der Nase nach, ließ den Madison Square rechts liegen und bog schließlich in die 32. ein. Er hatte mir die Hausnummer gesagt und ich fand sie auf den Yard genau.
    Ich blickte auf den Taxameter.
    »Siebzig Cent, Sir«, sagte ich.
    Er war inzwischen ausgestiegen und hatte sich vorn ein wenig zu meinem offenen Seitenfenster herabgebeugt. Für einen Augenblick konnte ich sein Gesicht im Lichtschein eines vorüberhuschenden Autos sehen: das Gesicht eines noch verhältnismäßig jungen Mannes von vielleicht dreißig bis fünfunddreißig Jahren, ohne besondere Eigenheiten und ohne besonderen Ausdruck. Ein Alltagsgesicht.
    Er gab mir einen Dollar.
    »Stimmt so«, sagte er.
    »Danke, Sir«, erwiderte ich artig.
    Und dann roch ich plötzlich den herben Duft, der von ihm ausging. Er hing mir noch vor der Nase, als er schon über die Straße ging. Irgendein seltenes Rasierwasser wahrscheinlich…
    ***
    Kurz vor neun war ich wieder zurück an meinem Standort. Mit sechzehn anderen Taxis — oder, wie wir sie in New York nennen: mit sechzehn anderen Yellow Cabs, den »Gelben Wagen« — stand ich säuberlich ausgerichtet in einer Reihe am Union Square, jenem teilweise mit Grünflächen bestückten Platz, der sich von der 14. Straße nach Norden bis zur 17. zieht.
    Äußerlich unterschied ich mich nicht von den anderen Yellow-Cab-Drivern, den anderen Taxifahrern: Ich trug eine graue Tuchhose, ein offenes buntes Hemd und darüber eine kurze Lederjacke, an deren linker Seite meine Plakette mit der Aufschrift baumelte: .Motor Cab Driver 3313‘. Dieselbe Nummer führte mein Taxi, in roten Buchstaben groß auf jede Seite des Wagens gemalt. Daß unser Maskenbildner mein Gesicht ein wenig verändert hatte, versteht sich von selbst.
    Gleich mir fuhren allnächtlich zweiunddreißig G-men durch New York und spielten Taxifahrer. Mein Freund Phil war mit von der Partie, und er stand als einziger von den Kollegen ebenfalls am Union Square. Die anderen waren paarweise und manchmal auch einzeln auf die anderen großen Taxi-Standorte verteilt.
    Da es die Sitte unserer Taxifahrer ist, ihre kurze Lederjoppe meistens offen zu tragen, hatten wir unser Schulterhalfter mit der Dienstpistole ablegen müssen. Man hätte die Waffe gesehen, wenn auch wir, wie alle anderen, die Lederjacke offengelassen hätten. Und sie zu schließen, wäre bei der freundlichen Witterung aufgefallen.
    Also hatten wir alle unsere Pistole in die linke oder rechte Hosentasche geschoben, was nicht immer bequem war. In den ersten Stunden juckte einem dauernd der Oberschenkel, denn die schwere Waffe rieb bei jedem Schritt über das Bein. Aber nach und nach gewöhnten wir uns daran.
    Natürlich stellte das FBI nicht aus lauter Jux über dreißig G-men allnächtlich als Taxifahrer ab. Wir hatten ein ganz klar umrissenes Ziel: Es galt, den Mann zu fangen, der innerhalb von vierzehn Tagen zwei Taxifahrer auf die gleiche brutale Weise ermordet hatte.
    Der Mörder war in beiden Fällen höchstwahrscheinlich als Fahrgast in Erscheinung getreten und hatte sich nachts irgendwohin fahren lassen. In dem Augenblick, wo der Wagen hielt, weil das angegebene Ziel erreicht war, beugte sich der unheimliche Fahrgast rasch nach vorn, riß mit der einen Hand, in die Haare des Fahrers gekrallt, dessen Kopf zurück und durchschnitt ihm in der gleichen Sekunde den Hals. Es war eine teuflische Methode.
    Daß er die Opfer ihrer Nachteinnahmen beraubte, konnte sowohl die Ursache seiner Überfälle als auch ein bloßes Täuschungsmanöver sein. Das würden wir wohl erst erfahren, wenn wir den Mörder hatten und ihn vernehmen konnten.
    Der Auftrag war für keinen von uns ungefährlich. Der Mörder brauchte für seine Tat mit Sicherheit nur wenige Sekunden, und ob diese wenigen Sekunden ausreichten, um seinen Angriff abzuwehren und ihn gleichzeitig unschädlich zu machen, das mußte sich erst noch zeigen. Aber für uns war dies nicht mehr als eben unser gewöhnliches Berufsrisiko. Als G-man ist man daran gewöhnt, häufig verdammt
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