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0144 - Nacht über Manhattan

0144 - Nacht über Manhattan

Titel: 0144 - Nacht über Manhattan
Autoren: Heinz Werner Höber
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Reihe war.
    So kam es denn auch. Es war etwa fünfzehn Minuten nach neun, als unsere Zentrale über den Lautsprecher meldete, daß ein Wagen vor der Hausnummer 66 in der 10. Straße West erwartet werde.
    Da ich an der Reihe war, stand ich auf, klopfte Phil und Renaldo auf die Schulter und machte, daß ich ans Steuer kam. Unsere Wagen waren durch die Bank neuere Fahrzeuge, und es machte schon Spaß, darin zu sitzen, aber mit meinem Jaguar war natürlich so ein chromblinkendes Vehikel nicht zu vergleichen. Außerdem hatte natürlich keiner der Wagen eine Polizeisirene aufzuweisen, wie sie in meinem Jaguar eingebaut ist, so daß ich nur mit dem üblichen Tempo in die 10. Straße gelangen konnte.
    Ich fand die Hausnummer, hielt aber vergeblich nach dem Fahrgast Ausschau, der bei unserer Zentrale den Wagen angefordert hatte. Ich drückte zweimal auf die Hupe, um ihm ein Signal zu geben, falls er sich noch im Hause befinden sollte, und steckte mir einstweilen eine Zigarette an. Wenn er in zwei Minuten nicht erschienen sein sollte, würde ich noch einmal hupen, noch einmal zwei Minuten warten und dann übers Sprechfunkgerät Weisung von der Zentrale einholen, ob ich zurückfahren oder weiter warten sollte.
    Ich kam nicht zum zweiten Hupen, denn gerade als ich den Finger auf den Hupring legte, ging die Haustür von Nummer 66 auf und ein alter Herr kam herausgetappt, der sich auf seinen Spazierstock stützte.
    Meine Zigarette flog in die Gosse, und ich ging ihm rasch entgegen.
    »Sie haben ein Taxi bestellt, Sir?« fragte ich und stützte ihn ein wenig, da ihm das Gehen Schwierigkeiten zu machen schien.
    »Ja, mein Lieber. Das war ich. Sie sind sehr schnell gekommen, vielen Dank.«
    Er trug einen alten, zerschlissenen Mantel, der ihm viel zu weit war und an den Ellenbogen verdächtig schimmerte. Auch sein Hut war schon sehr abgegriffen und schien schon bessere Zeiten gesehen zu haben, aber das mußte sehr lange her sein.
    Ich half ihm in den Wagen, wofür er sich sehr höflich bedankte.
    »Fahren Sie mich bitte in die 18. Straße Ost«, sagte er. »Hausnummer 240. Das ist genau an der Ecke zur 2. Avenue.«
    »Jawohl, Sir«, sagte ich als artiger Taxifahrer und klemmte mich ans Steuer.
    Auch dies war keine weite Fahrt, und als ich am Ziel auf die Zähluhr sah, zeigte sie ganze fünfundfünfzig Cent. Ich nannte ihm den Preis, und er begann, in seinen Manteltaschen zu suchen.
    Na, die Verlegenheit in seinem Gesicht sprach Bände.
    »Es ist mir fürchterlich peinlich«, sagte er schließlich, nach langem Kramen in sämtlichen Taschen, »aber ich scheine meine Geldbörse zu Hause gelassen zu haben.«
    »Oh, das macht nichts«, sagte ich. »Ich komme eben mit rauf und Sie geben mir's oben.«
    Er lächelte verlegen.
    »Das geht ja auch nicht. Ich wohne hier nicht. Ich habe nur einen Besuch zu machen. Könnten Sie nicht morgen im Laufe des Tages oder auch abends, wie es Ihnen paßt, bei mir vorsprechen? Selbstverständlich würde ich mir erlauben, Sie für das Warten angemessen zu entschädigen. Glauben Sie mir, es ist mir sehr peinlich, und es ist das erste Mal, daß mir so etwas passiert, aber im Augenblick wüßte ich keine andere Lösung.«
    Icli sah ihn mißtrauisch an. Diese Tour probiert man bei den Taxifahrern regelmäßig. Etwa jeder dreißigste Fahrgast stellt immer fest, wenn er am Ziel ist, mit mehr oder weniger gut gespieltem Erschrecken fest, daß er seine Geldbörse vergessen hat.
    Der Alte machte eigentlich gar nicht den Eindruck eines fahrenden Betrügers, aber Gesichter sind wie Wahlreden: Man kann ihnen alles Mögliche entnehmen.
    »Na schön«, seufzte ich. »Wo wohnen Sie denn?«
    »82, Central Park West«, sagte er. Ich stutzte. Das war eine verdammt vornehme Ecke, und deutlicher konnte der abgerissene Alte gar nicht klarmachen, daß er mir faustdick eins aufbrummte, was einem Märchen von Disney ähnlicher sah als der Wahrheit. Aber ich gehöre nicht zu den Leuten, die sich wegen fünfundfünfzig Cent mit einem alten Mann anlegen, und so fragte ich nur:
    »Schön, und wie ist Ihr Name?«
    »Reggin, Arnold Reggin. Ich bin Ihnen sehr verbunden, junger Mann! Recht vielen Dank einstweilen! Sie werden mich dann morgen aufsuchen, nicht wahr?«
    »Ja, ja«, versprach ich, obgleich ich viel zu sehr davon überzeugt war, daß es weder einen Reggin noch einen ähnlichen Alten in der genannten Hausnummer gab, als daß ich mich ernstlich mit dem Gedanken getragen hätte, hinzufahren.
    Ich half ihm aus dem Wagen auf die
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