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01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis

01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis

Titel: 01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis
Autoren: Carola Dunn
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Pförtnerhaus aus Backstein. Es bewachte das hohe, gußeiserne Tor, dessen Flügel offenstanden. Bei der Durchfahrt hupte Jones einmal.
    Daisy wandte sich um und sah, wie der Pförtner herauskam, um das Tor hinter ihnen wieder zu schließen. Wenig später waren sie aus den Bäumen heraus.
    Wentwater Court breitete sich vor ihnen aus. Der Landsitz war an den Hang über einem flachen Tal gebaut. Der mit Zinnen und Türmchen versehene Mittelbau aus der Tudorzeit, aus rotem Backstein mit Steinrisaliten, war von zwei Flügeln aus der Zeit von Queen Anne flankiert. Ranken wilden Weins, jetzt ohne Laub, verdeckten den Übergang von einem Baustil in den anderen, und zwei riesige Zedernbäume milderten die Strenge der rechteckigen Seitenflügel. An der Talsohle mündete die Kiesauffahrt in eine reich dekorierte Brücke aus Stein, die sich über einen Zierteich wölbte. Der Schnee war vom zugefrorenen Teich weggekehrt worden, und rot, grün und blau gekleidete Schlittschuhläufer glitten darüber hinweg oder wirbelten in phantasievollen Schleifen umher.
    »Jones, bitte, halten Sie an«, rief Daisy aus. »Ich muß unbedingt ein paar Photographien machen.«
    Der Chauffeur holte das Stativ aus dem Kofferraum. »Soll ich auf Sie warten, Miss?«
    »Nein, fahren Sie ruhig schon vor, ich komme zu Fuß nach.«
    Sie baute am Rand der Auffahrt ihre Ausrüstung auf und stellte die Kamera ein.
    Den größten Teil ihrer Erfahrung als Photographin hatte sie in Lucys Studio gesammelt. Sie blinzelte konzentriert durch den Sucher und stellte sich die vor ihr liegende Szene auf einer halben Zeitschriftenseite vor. Die Eisläufer auf dem See würden gerade mal als Pünktchen auszumachen sein, stellte sie ernüchtert fest.
    Dennoch schoß sie ein paar Photos, ehe sie ihren Apparat auf die Villa richtete, um ein paar weitere Aufnahmen zu machen. Dann marschierte sie mit ihrer Ausrüstung zum Seeufer hinab, um ein paar Nahaufnahmen von den Schlittschuhläufern und der pittoresken Brücke zu machen.
    Die Eisläufer hatten sie schon gesehen, und der eine oder andere hatte auch schon gewunken. Als sie näher kam, versammelten sich alle fünf am nächstgelegenen Fuß der Brücke.
    »Hallo, Daisy«, rief Marjorie. »Wir haben uns schon gedacht, daß du das sein mußt.« Ihre modisch knabenhafte Figur wurde von einem maßgeschneiderten kirschroten Sportmantel mit passendem Rock betont. Daisy wußte, daß der weiße Wollhut einen Bubikopf mit marcellierten Wellen bedeckte. Das Rot ihrer klassisch geschwungenen Lippen paßte zu dem ihres Mantels, ihre Augenbrauen waren gezupft und dunkel gefärbt, und die Wimpern waren stark getuscht. Mit ihren einundzwanzig Jahren war Lady Marjorie Beddowe ein Backfisch, wie er im Buche stand.
    »Willkommen auf Wentwater, Miss Dalrymple.« Marjories Bruder James, ein stämmiger junger Mann, der etwa drei Jahre älter als seine Schwester sein mochte, trug eine lange Knickerbockerhose und einen gelb-blau-gemusterten Fair-Isle-Pullover.
    Sein fülliges Kinn stand im Kontrast zu seiner aristokratisch schmalen Nase, und die Wangen waren von der Bewegung an der frischen Luft rosa gefärbt. Er hatte seinen Mantel, die Mütze und den Schal bereits auf der Bank am anderen Ende des Sees deponiert. »Sie kennen doch Fenella, nicht wahr?«
    »Ja, sehr gut sogar. Wir kommen aus derselben Gegend in Worcestershire.« Daisy lächelte das schüchterne Mädchen an, dessen Verlobung mit James kürzlich in der Morning Post bekanntgegeben worden war. »Und Phillip ist natürlich auch ein alter Freund.«
    »Sei gegrüßt, meine Liebe, dich hab ich ja Ewigkeiten nicht mehr gesehen.« Fenellas Bruder, ein großgewachsener, blonder, schlaksiger, junger Mann grinste sie an. Phillip Petrie sah auf eine eher gewöhnliche Art gut aus. Er war der beste Freund von Daisys Bruder gewesen, ehe Gervaise im Schützengraben gefallen war. »Hast mit der Photographie angefangen, was?« fragte er.
    »In gewisser Hinsicht ja, schon.«
    Er schien den Grund ihrer Anreise hier also nicht zu kennen.
    Sie wollte es ihm erklären, aber Marjorie fuhr eilig dazwischen, um den fünften Eisläufer vorzustellen.
    »Daisy, dies ist Lord Stephen Astwick.« Sie schaute den älteren Mann hingebungsvoll an. »Ihr kennt euch noch nicht, oder?«
    »Das Vergnügen war mir bislang nicht vergönnt«, sagte er verbindlich. »Guten Tag, Miss Dalrymple.« Mit seinen ungefähr vierzig Jahren war Lord Stephen eine elegante Erscheinung. Er trug eine legere Norfolk-Lederjacke mit Gürtel,
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