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01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis

01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis

Titel: 01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis
Autoren: Carola Dunn
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einzige, die aus dem Londoner Zug ausgestiegen war. Über den beiden Türen des winzigen Gebäudes am Gleis für die Züge in Richtung London waren zwei kleine Schilder angebracht: »Gepäckaufbewahrung« und »Warteraum und Fahrkartenschalter«.
    Die Landschaft von Hampshire, die sich um den Bahnhof erstreckte, war von einer dicken Schneeschicht bedeckt, die in der Sonne funkelte. An skelettartigen Bäumen und Hecken glitzerte der Reif. Die einzigen Zeichen von Leben waren der zusehends schneller werdende Zug, der uniformierte Mann, der jetzt dahinter ihre Sachen über die Gleise trug, und eine Krähe, die auf dem Lattenzaun des Bahnhofs hockte.
    »Ihre Fahrkarte bitte, Madam.«
    Sie reichte sie ihm zum Abknipsen. »Ich muß nach Wentwater Court«, sagte sie. »Ist das weit?«
    »Ungefähr drei Meilen.«
    »Ach, du lieber Gott!« Daisy sah entsetzt auf ihr Gepäck und dann auf ihre eleganten ledernen Schnürstiefel mit den hohen Absätzen. Für meilenweite Fußmärsche auf schneebedeckten Landstraßen waren sie keinesfalls geeignet. Der Bahnhof war offensichtlich zu klein, um eine Bahnhofsdroschke zu unterhalten, geschweige denn ein Taximobil.
    »Keine Sorge, Madam. Der Graf schickt immer sein Automobil, um die Gäste abholen zu lassen, aber bei diesem Wetter wird es wohl schwer anzulassen sein.«
    »Das Problem ist«, vertraute ihm Daisy an, »ich bin eigentlich kein richtiger Gast. Ich schreibe einen Artikel über Wentwater Court, für eine Zeitschrift.«
    Der Träger-Bahnhofsvorsteher-Fahrkartenabschneider in Personalunion sah angemessen beeindruckt aus. »Eine Schriftstellerin sind Sie also, Madam? Auch sehr nett. Also, wenn Sie zu Fuß gehen wollen, dann kann ich dafür sorgen, daß ein Junge aus dem Dorf Ihre Sachen nachher auf einem Handkarren hinbringt. Oder ich kann auch die Garage in Alton anläuten, daß ein Taximobil Sie abholen kommt.«
    Daisy bedachte diese beiden Möglichkeiten, von denen die eine unbequem, die andere teuer war. Ihre Auslagen würden später von der Zeitschrift erstattet werden, aber sie hatte nur sehr wenig Bargeld bei sich.
    In dem Moment hörte sie das Tuckern eines starken Automotors. Ein dunkelgrüner Rolls Royce Silver Ghost, glänzende Messingbeschläge an der langen Motorhaube, fuhr vor. Ein uniformierter Chauffeur sprang heraus.
    »Sieht aus, als hält der Graf Sie doch für einen Gast, Madam«, sagte der Träger mit einer Zufriedenheit, die ihre eigene widerspiegelte, und griff ihr Gepäck.
    »Miss Dalrymple?« fragte der Chauffeur und kam näher. »Ich bin Jones, vom Court. Entschuldigen Sie bitte die Verspätung, Miss. Bis sie heut morgen gestartet ist, hat's 'ne Weile gedauert, kommt sonst nie vor, egal wie kalt es ist, sonst wär ich schon früher hier gewesen.«
    »Völlig in Ordnung, Jones«, sagte Daisy und schenkte ihm ein sonniges Lächeln. Der liebe Gott saß also doch im Himmel, und auf der Welt ging alles noch immer mit rechten Dingen zu.
    Er öffnete ihr die Autotür und verstaute dann zusammen mit dem Träger ihre Taschen im Kofferraum. Daisy lehnte sich in dem weichen Ledersitz zurück. Manchmal war es entschieden von Vorteil, von blauem Blut zu sein.
    Natürlich hätte sie ohne ihre gesellschaftlichen Kontakte niemals den Auftrag bekommen, über Adelssitze zu schreiben.
    Obwohl sie Lord Wentwater nicht selbst kannte, so waren doch sein ältester Sohn Lord James Beddowe, seine Tochter Lady Marjorie und seine Schwester Lady Josephine alles Bekannte.
    Ihr Redakteur hatte mit seiner Annahme recht gehabt, daß die Türen, die einem Schreiber aus dem einfachen Volk für immer verschlossen wären, sich zum Willkomm der hochwohlgeborenen Daisy Dalrymple weit öffnen würden.
    Der Rolls schnurrte aus dem Bahnhofsgelände hinaus, den Hügel hinab, um eine Kurve und durch das Dorf Lower Wentwater. Der Ententeich auf dem Dorfanger war gefroren. Kinder in dicken Wollstrümpfen rutschten kreischend vor Lachen auf dem Eis herum; zwischen ihren gestreiften Schals und den Wollmützen lugten nur ihre leuchtenden Augen hervor.
    Hinter der kleinen aus Steinen gemauerten Kirche wand sich der Weg viele Hügel hinauf und dann wieder hinab, an Feldern, Bauernhöfen und Baumgruppen vorbei. Der Schnee auf dem Fahrweg war ganz frisch, mit Ausnahme von zwei schmalen Rillen, die das Automobil des Grafen auf dem Weg zum Bahnhof hinterlassen hatte. Daisy war zunehmend dankbar dafür, daß sie nicht auf Schusters Rappen hatte kommen müssen.
    Mitten in einem Wäldchen gelangten sie an ein
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