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01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis

01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis

Titel: 01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis
Autoren: Carola Dunn
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grauschnäuziger schwarzer Spaniel auf dem Kaminvorleger kurz neugierig den Kopf, schlug mit seinem stummeligen Schwanz ein paarmal auf den Boden und schlief dann wieder ein. Eine der beiden Frauen am Kamin sah erschrocken auf - es war fast so, als hätte sie Angst.
    »Annabel, meine Liebe, das ist Miss Dalrymple. Du wirst doch dafür Sorge tragen, daß sie sich bei uns wohlfühlt?«
    »Natürlich, Henry.« Lady Wentwaters melodische Stimme war leise, fast gedämpft. Sie erhob sich anmutig und kam auf sie zu.
    »Guten Tag, Miss Dalrymple.«
    Daisy war wie vor den Kopf geschlagen. Sie hatte in der Post gelesen, daß der Graf kürzlich wieder geheiratet hatte, aber daß seine zweite Frau so jung war, hatte sie nicht gewußt. Annabel Gräfin Wentwater war höchstens ein oder zwei Jahre älter als James, ihr ältester Stiefsohn. Und sie war wunderschön.
    Weder der warme, gesprenkelte Tweedrock noch die unförmige Wolljacke, die bis zu den Oberschenkeln herabhing, konnten ihre hochgewachsene, schlanke Figur verbergen, die etwas weiblicher war, als es die Mode derzeit vorschrieb. Ihr blasses Gesicht besaß eine perfekt ovale Form, mit hohen Wangenknochen und zarten Zügen, und ihr tiefbraunes, zu einem Knoten hochgestecktes Haar glänzte. Dunkle, weit auseinanderstehende Augen lächelten Daisy schüchtern an.
    »Ich lasse Sie in besten Händen, Miss Dalrymple«, sagte der Graf und wandte sich zum Gehen um.
    Der Blick seiner Frau folgte ihm. Und darin lag, das sah Daisy ganz deutlich, eine verzweifelte Trauer.

2
     
    »Also, Daisy, Sie arbeiten jetzt?« Die stämmige, fröhliche Lady Josephine klang eher interessiert als mißbilligend. »Bestimmt hat sich Ihre Mutter unglaublich darüber aufgeregt.«
    »Mutter ist in der Tat nicht sehr begeistert«, gab Daisy zu. »Es wäre ihr viel lieber, wenn ich zu ihr ins Dower House ziehen würde.«
    »Was für ein sterbenslangweiliges Dasein für ein junges Mädchen! Sie sollte doch dankbar sein, daß Sie für eine anständige Zeitschrift schreiben und nicht für eines von diesen skandalösen Schmierblättern. Ich habe schließlich selbst Town and Country abonniert. Ich freue mich schon darauf, Ihre Artikel zu lesen, meine Liebe.«
    »Danke sehr, Lady Josephine.« Sie wandte sich der Gräfin zu.
    »Es ist wirklich unglaublich nett von Ihnen und Lord Wentwater, mich herkommen zu lassen. Ich kam mir ein bißchen frech vor, das überhaupt vorzuschlagen.«
    »Aber nicht im geringsten, Miss Dalrymple«, antwortete Lady Wentwater freundlich. Ihre Augen waren jetzt von den langen, dichten Wimpern umschattet, und Daisy fragte sich, ob sie sich den Kummer darin nur eingebildet hatte. »Henry ist stolz auf Wentwater«, fuhr sie fort. »Er freut sich über jede Gelegenheit, damit anzugeben.«
    »Stimmt«, bemerkte ihre Schwägerin, »aber ich bin es, die dieses Anwesen kennt wie ihre Westentasche. Ich könnte Sie später herumführen, wenn Sie Lust haben, Daisy. Vermutlich möchten Sie jetzt erst einmal auf Ihr Zimmer gehen, um sich frisch zu machen. Man fühlt sich doch immer entsetzlich schmuddelig nach einer Zugfahrt, nicht wahr?«
    Lady Wentwater, durch diese sanfte Erinnerung an ihre Pflichten verlegen geworden, zog an der Klingelschnur.
    Die Haushälterin führte Daisy zurück in die Eingangshalle, weiter ging es dann die Steintreppe hinauf, einen Korridor entlang und in den Ostflügel. Daisy erkundigte sich nach der Dunkelkammer, die Lord Wentwater erwähnt hatte.
    »Ja, Miss, die ganzen Sachen von Mr. Sydney sind immer noch da«, versicherte ihr die Haushälterin, »und werden auch immer abgestaubt, da können Sie sicher sein. Das ist unten im Küchentrakt - ein einziges Labyrinth übrigens. Da müssen Sie sich ein bißchen durchfragen.«
    »Gibt es da elektrisches Licht?«
    »O ja, Miss, seine Lordschaft hat überall elektrisches Licht installieren lassen. Das ist ja sicherer als Gas, wobei ich sagen muß, daß unser Generator so seine Launen hat. Wenn es noch irgend etwas gibt, was Sie für Ihre Photographien brauchen, fragen sie einfach mich oder Drew. So, da wären wir. Das da drüben ist das Wasserklosett, Miss, und hier ist Ihr Zimmer.«
    Das quadratische Schlafzimmer mit der hohen Decke war hell und luftig. Es war mit einer Blumentapete, dazu passender Tagesdecke und ebenfalls darauf abgestimmten Vorhängen ausgestattet. Die Möblierung war altmodisch, aber bequem, und im Kamin brannte heimelig ein Feuer. Ein kleiner Sekretär stand am Fenster, das nach Süden zum See ging.
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