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01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis

01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis

Titel: 01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis
Autoren: Carola Dunn
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schreiben konnte.
    Der Butler führte sie aus dem spätgotischen Teil des Hauses zum Ostflügel. Dort klopfte er an eine Tür, öffnete sie und kündigte Daisy an. Sie trat mit einem freundlichen Lächeln ein, und Lord Wentwater kam um seinen lederbedeckten Schreibtisch herum und begrüßte sie.
    Der großgewachsene, schlanke Herr von ungefähr fünfzig Jahren erwiderte ihr Lächeln nicht, aber er schüttelte ihre ausgestreckte Hand mit ernster Höflichkeit. Er hatte James' lange, schmale, aristokratische Nase, und sein leicht ergrautes Haar und der Schnurrbart verliehen ihm ein distinguiertes Aussehen. Daisy fand ihn außerordentlich attraktiv, trotz seines Alters und der viktorianischen Steifheit, die er ausstrahlte.
    Noch viktorianischer wurde es, als sie die schweren Mahagonimöbel im Zimmer und den dunkelroten türkischen Teppich wahrnahm. Ein Landseer-Gemälde von zwei schwarzen Retrievern, der eine mit einer Wildente im Maul, hing über einem ausnehmend schönen klassizistischen Kamin.
    Daisy war immer noch durchgefroren und bewegte sich automatisch auf den Kamin zu, sie zog ihre Handschuhe aus und hielt die Hände vor die Flammen.
    »Möchten Sie sich nicht setzen, Miss Dalrymple?« Der Graf wies auf einen kastanienbraunen Ohrensessel, der neben dem Kamin stand. Er setzte sich in einen ähnlichen Sessel gegenüber und sagte: »Ich kannte natürlich ihren Vater; Ein schmerzhafter Verlust für das House of Lords. Diese entsetzliche Influenza-Epidemie hat uns schwer getroffen, und das so kurz, nachdem der Krieg gerade fast unsere ganze Jugend abgeschlachtet hat. Ihren Bruder auch, nicht wahr?«
    »Ja, Gervaise ist in Flandern gefallen.«
    »Erlauben Sie mir, Ihnen mein Beileid auszusprechen, wenn auch etwas verspätet.« Zu ihrer Erleichterung ließ er dann von diesem unglückseligen Thema ab und fuhr in einem trockenen, leicht fragenden Ton fort: »Es schmeichelt mir sehr, daß Sie sich ausgerechnet meine Heimstatt für einen Artikel auserkoren haben.«
    »Ich hatte schon davon gehört, wie prachtvoll die Innenausstattung ist, Lord Wentwater, und für einen Artikel im Januar möchte ich eigentlich keine Außenaufnahmen machen.«
    »Ach ja, richtig, in seinem Brief hatte Ihr Redakteur ja erwähnt, daß Sie mit einem Photographen kommen würden.«
    Daisy zwang sich, nicht rot zu werden. »Leider hat sich Mr. Carswell eine Grippe zugezogen, so daß ich selber die Aufnahmen machen werde.« Sie redete eilig weiter, ehe Lord Wentwater seinem Mitgefühl für den fiktiven Mr. Carswell Ausdruck verleihen konnte. »Es wäre mir eine riesige Hilfe, wenn Sie mir einen kleinen Raum ohne Fenster als Dunkelkammer zur Verfügung stellen könnten. Eine Rumpelkammer vielleicht, eine Vorratskammer, oder eine Spülküche? Da ich keine ausgebildete Photographin bin, würde ich gerne sehen, wie meine Photographien geworden sind, ehe ich wieder fahre - falls ich welche noch einmal machen muß.«
    Ein Lächeln huschte über Lord Wentwaters Gesicht. »Da können wir Ihnen sogar bestens weiterhelfen. Mein Bruder Sydney, der jetzt im Colonial Service ist, war in seiner Jugendzeit ein begeisterter Photograph und hat sich damals eine Dunkelkammer einrichten lassen.«
    »Ach, das ist ja famos!«
    »Die Ausrüstung ist immer noch da, obwohl Sie sie vielleicht etwas altmodisch finden mögen. Gibt es sonst noch irgendetwas, womit ich Ihre Arbeit erleichtern kann?«
    »Ich hab ein bißchen über die Geschichte des Hauses gelesen, aber wenn es noch irgendwelche interessanten Anekdoten gibt, die nicht allgemein bekannt sind ...?«
    »Dafür wäre meine Schwester zuständig. Sie weiß alles, was es über Wentwater und die Beddowes zu wissen gibt.«
    »Lady Josephine ist hier? Das ist ja fabelhaft!«
    Wieder lächelte der Graf. Lady Josephine Menton war genauso redselig wie gesellig, und als Gastgeberin war sie ebenso berühmt wie sie als Klatschbase berüchtigt war. Niemand hätte Daisys Zwecken besser dienen können.
    »Ich bin mir sicher, daß ich mich auf Ihre Diskretion und auf die Ihres Redakteurs verlassen kann«, sagte Lord Wentwater und erhob sich. »Kommen Sie, ich bringe Sie, zu ihr und stelle Sie auch gleich meiner Frau vor. Meistens findet man die beiden um diese Zeit im Damensalon.«
    Sie gingen über den Verbindungsgang durch das Haus, und er führte sie in einen sonnigen Salon, der eher behaglich als elegant eingerichtet war - es dominierten die Farben Salbeigrün, Crèmeweiß und Pfirsich. Als sie eintraten, hob ein
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