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0091 - Götzen und gelbe Gangster

0091 - Götzen und gelbe Gangster

Titel: 0091 - Götzen und gelbe Gangster
Autoren: Götzen und gelbe Gangster
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niemand angreifen, und ganz bestimmt nicht die abendländische Kultur, die ich Hebe und verehre, aber machen Sie sich einmal klar, welche ungeheuerlichen Folterungen es in der europäischen-Vergangenheit gegeben hat, die Hexenverbrennungen, die Glaubensverfolgungen, die Inquisitionsprozesse, die unbeschreiblich brutalen Schauspiele der frühen Christenverfolgung, denken Sie eine Minute daran, dass monatlich mindestens dreimal auf der westliche Hemisphäre dieser Erde eine junge Mutter oder ein junger Vater vor die Schranken der Gerichte gerufen wird, weil sie bestialisch ihr eigenes Baby misshandelt haben, wovon die Zeitungen ja immer wieder berichten - ziehen Sie alle diese Dinge in Erwägung und rechnen Sie jetzt noch hinzu, dass es ungeschulte Menschen gibt, die eine grausame Gottheit seit zahllosen Geschlechtern verehren, und dann entscheiden Sie, ob es nicht vielleicht doch möglich ist, was ich Ihnen andeutete. Dass die Angehörigen der armen, bedauernswerten Opfer ihre volle Zustimmung und vielleicht gar Mithilfe bei der bestialischen Ermordung zusicherten.«
    Wir schwiegen erschrocken. Liu Fang hatte uns ins Gedächtnis zurückgerufen, wie dünn die Schale der Zivilisation an manchen Stellen ist, wie viel noch im Menschen steckt vom Urwaldtier, von der wilden Bestie grauer Vorzeit. Mir kam ein Bild in Erinnerung, das ich einmal in einem Museum gesehen hatte, eine gaffende Menschenmenge, die ungerührt zusieht, wie man ein unschuldiges Mädchen lebendigen Leibes verbrennt, nachdem man es vorher unbeschreiblich gefoltert hat, weil ein verblendeter, fanatischer Irrglaube das Mädchen für eine Hexe hielt. Einige Mütter hatten sogar ihre kleinen Kinder hochgehoben, damit diese nur ja das Schauspiel sehen könnten. Diese unbegreifliche Zeit hatte diesen Menschen ein gutes Gewissen gelassen. Anscheinend fanden alle die Zuschauer diese viehische Bestialität ganz in Ordnung.
    »Meinen Sie«, fragte ich vorsichtig, »dass irgendein religiöser Glaube bei diesen Ermordungen im Spiele ist?«
    Liu Fang nickte.
    »Das nehme ich an. Und zwar gab es und gibt es wohl spärlich auch heute noch eine Sekte, die der Gottheit Waschni anhängt. In älteren Schriften aus der Mitte der Ming-Dynastie wird davon berichtet. Ich habe einige dieser Schriften gelesen. Die Art und Weise, wie man diese Mädchen umgebracht hat, erinnert mich sehr an diese Waschni-Gläubige.«
    Ich steckte mir eine Zigarette an. Ich fühlte mich wie auf einem spiegelglatten Parkett, unsicher. Was begreift man als Weißer je von diesen Dingen? Man kann sich noch soviel Mühe geben, man dringt nie unter die Oberfläche.
    »Wissen Sie auch«, fragte ich nachdenklich, »warum bei den Opfern solche Folterungen, die schließlich zu einem grausamen Tod führen, vorgenommen werden?«
    Liu Fang nickte ganz langsam. Er senkte den Kopf, als schäme er sich für eine ganze Rasse.
    »Der Waschni-Glaube bestimmt die Folter sechsten Grades für alle, die abends versäumen, den Ahnen ein paar Räucherstäbchen anzubrennen…«
    ***
    Malo Chenang war Studentin im ersten Semester. Sie hatte Biologie, Psychologie und organische Chemie belegt.
    Malo war ein Mädchen von achtzehn Jahren. Ihre Eltern betrieben im Chinesenviertel eine Großwäscherei, die Filialen in der ganzen Stadt unterhielt. Wie bei vielen Leuten, die sich hochgearbeitet haben, herrschte in der Familie der Wunsch, die Kinder möchten es einmal »besser haben«, wozu man ihnen durch eine gediegene Ausbildung verhelfen wollte.
    Der Werdegang des jungen Mädchens ist kurz geschildert. Sie besuchte einen der üblichen amerikanischen Kindergärten, spielte dort mit Kindern weißer, gelber und dunkler Hautfarbe, lernte im spielenden Umgang mit ihrer Freundin ein paar Bocken Polnisch, weil die Eltern der Freundin eingewanderte Polen waren, las auch ein paar Brocken Serbisch auf, weil es einen Jungen dieser Abstammung im Kindergarten gab, und ihr ging es also wie fast allen amerikanischen Kindern, sie lernen früher als Lesen und Schreiben sich an die Tatsache zu gewöhnen, dass es viele Nationalitäten auf dieser Erde gibt, und dass man versuchen muss, mit allen auszukommen, weil sie nun mal direkte Nachbarn sind. In den Staaten sind ja sämtliche Nationen der Erde vertreten.
    In der Volksschule fing sie dann an, richtig Englisch zu lernen. Sie war ein sehr begabtes Kind und fasste schneller auf als alle anderen. Man schlug sie zur Oberschule vor, sie bestand die Prüfung gewissermaßen aus dem Handgelenk,
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