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0069 - Das Gericht der Toten

0069 - Das Gericht der Toten

Titel: 0069 - Das Gericht der Toten
Autoren: Hans Wolf Sommer
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jedoch fühlten sie sich in keiner Weise beeinträchtigt.
    Ja, sie waren sogar ausgesprochen unternehmungslustig. Es lag kein Grund vor, sich nicht sofort dem eigentlichen Zweck ihres auf drei Tage und drei Nächte befristeten Besuchs in dieser Welt der Toten zuzuwenden.
    »Wie kommen wir raus aus unserer gemütlichen Behausung?« fragte Bill.
    »Die Tür ist leider auch nicht mitgekommen.«
    Zamorra ließ seinen Blick auf das bläuliche Leuchten fallen, das hier die Wände ersetzte.
    »Lichttore scheinen in dieser Welt große Mode zu sein«, sagte er in Erinnerung an ihren Eintritt in den Gerichtssaal des Osiris.
    Entschlossen ging er auf eine der Lichtwände zu und schritt ganz einfach hinein. Seine Spekulation ging auf.
    Ganz kurz fuhr ihm eisige Kälte in die Glieder, dann war er hindurch. Der Freund folgte ihm wenig später nach.
    Eine imposante Szenerie breitete sich vor ihnen aus.
    Sie standen auf einem kleinen Hügel und blickten in ein sanft abfallendes Tal hinunter. Grünende Wiesen, blühende Blumen und exotische Gewächse, kleine Wäldchen überall. In unweiter Entfernung wand sich ein rauschender Bach durch die Landschaft.
    »Ich werde verrückt«, sagte Bill beeindruckt. »Der Garten Eden!«
    »Sein ägyptisches Gegenstück, würde ich eher sagen«, entgegnete der Professor. »Sieh* mal da drüben!« Er streckte die Hand aus und wies zu einem gegenüberliegenden kleinen Berg, auf dessen Gipfel eine riesige Pyramide sichtbar war.
    Der Bau war unverkennbar: Die große Cheops-Pyramide von Gizeh.
    Und sie sahen noch zahlreiche andere Zeugnisse altägyptischer Baukunst. Mastabas in allen Größen, aufwendig und prunkvoll einerseits, kümmerlich und schäbig andererseits. Grabmäler, die sich die Menschen während ihres irdischen Lebens für das Jenseits geschaffen hatten.
    Wie ungerecht, fuhr es Zamorra durch den Kopf.
    Die Reichen, die Einflußreichen, die Herrschenden, die bereits »drüben« privilegiert gewesen waren, hatten auch hier wieder das bessere Ende für sich. Zumindest was ihre Wohnverhältnisse anbetraf. Ihr körperliches Wohlbefinden jedoch…
    Als Zamorra und Bill ins Tal hinuntermarschierten, sahen sie auch Menschen, die Kaas von Menschen natürlich.
    Und hier hörte der Unterschied zwischen arm und reich auf, hatte die sogenannte Gerechtigkeit des Totengerichts als großer Gleichmacher gewirkt.
    Kaum jemanden sahen sie, den die Messer der Dämonen nicht gestraft hatten. Oft auf eine so grausame, entsetzliche Weise, daß ihnen ihre eigenen Verstümmelungen vergleichsweise harmlos erschienen.
    Ihr Eindruck, sich im Paradies zu befinden, verlor einiges von seiner Faszination.
    »Ich glaube, es wird Zeit, daß wir uns langsam mit den Sitten und Gebräuchen bekannt machen, die hier herrschen«, sagte der Professor. »Wenn wir Neferptah finden wollen, können wir nicht herumlaufen wie neugeborene Kinder.«
    Sie gingen weiter ins Tal hinab und kamen auf ihrem Weg zu einer Steinhöhle, vor der ein alter, weißhaariger Mann saß und mit unbewegtem Gesicht in den sonnenlichtüberfluteten, wolkenlosen Himmel blickte.
    Sie blieben stehen, blickten auf den Mann hinab. Er wies keine sichtbaren Verstümmelungen auf, schien auf der Erde ein Mensch gewesen zu sein, der gar nicht oder nur unwesentlich gegen die Ordnung verstoßen hatte.
    Der Alte richtete wasserhelle Augen auf die beiden Männer, die ihm die Sonne verstellten.
    Zamorra sprach ihn an: »Sei gegrüßt, alter Mann.«
    Es war nicht die originellste Methode, mit einem Fremden ins Gespräch zu kommen, aber Etikette spielte in diesem Fall wohl keine Rolle.
    Ausdruckslos neigte der Alte leicht den Kopf, sagte aber nichts.
    »Wir sind fremd in diesen Gefilden«, fuhr der Professor fort. »Soeben erst angekommen.«
    Interesse blinkte in den Augen des anderen auf.
    »Es kommen nicht viele in diesen Jahren«, sagte er.
    Das konnte sich Zamorra denken. Die Zeit der altägyptischen Totenrituale war vorbei. Wenn er und Bill sich nicht der von Sekere in Erfahrung gebrachten Beschwörungszeremonie des alten Nillandes unterzogen hätten, wären sie ganz sicher niemals in dieser Region des Jenseits gelandet.
    »Wir suchen jemanden«, sagte der Professor. »Einen Pharao.«
    »Es gibt viele Pharaonen hier im Reiche des Osiris«, antwortete der alte Mann.
    »Sein Name ist Neferptah.«
    »Neferptah, Neferptah«, wiederholte der Greis. »Ein Pharao, sagt Ihr? Wann war die Zeit seiner Herrschaft?«
    »Er gehörte der achtzehnten Dynastie an.«
    »Und kehrte erst
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