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0069 - Das Gericht der Toten

0069 - Das Gericht der Toten

Titel: 0069 - Das Gericht der Toten
Autoren: Hans Wolf Sommer
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und Entsetzen glaubte er bald wahnsinnig zu werden.
    Der Dämon hatte ihn ins rechte Auge gestoßen und die Pupille zielgerecht durchbohrt.
    »Damit du nicht siehst der fremden Götter falschen Glanz.« Mit diesem hämischen Satz begründete er seine brutale Tat.
    Bill Fleming hatte gesehen, was mit dem Professor geschehen war.
    Auch er war sich grundsätzlich völlig darüber im klaren, daß er seinem Schicksal so oder so nicht entgehen konnte. Aber die automatischen Reflexe, die in seinem Kaa genauso vorhanden waren wie in seinem menschlichen Körper, übernahmen das Kommando.
    Konnte es etwas Schrecklicheres geben, als geblendet zu werden?
    Noch dazu sehenden Auges? Wohl kaum.
    Als Gottesauge auf ihn eindrang, leistete er wider besseres Wissen erbitterte Gegenwehr. Er war ein geübter Kämpfer und konnte sehr clever sein, wenn er wollte. Und wenn er es auch an Stärke nicht mit dem Dämon aufnehmen konnte, so blieben ihm doch seine Geschicklichkeit und seine Schnelligkeit.
    Er sprang zur Seite, versuchte erst gar nicht, den zustoßenden Messerarm des Ibisköpfigen zu bremsen. Statt dessen ging er selbst zum Angriff über. Der Dolch des Dämonen ging fehl, und Bill nahm seine vermeintliche Chance wahr. Seine Handkante schnellte vor und traf den Vogelköpfigen unmittelbar über dem Schnabelansatz.
    Der Dämon war sichtlich überrascht. Wahrscheinlich hatte noch nie ein Kaa gewagt, sich handgreiflich gegen das Totengericht aufzulehnen. Bill nutzte die momentane Fassungslosigkeit Gottesauges und führte den zweiten Schlag. Diesmal schmetterte seine Handkante gegen den Hals des Gegners. Gleichzeitig trat er den Dämon wuchtig in den Unterleib.
    Aber diese Aktionen brachten ihm keinen dauerhaften Erfolg.
    Gottesauge hatte seine Verblüffung überwunden. Die Treffer, die der Historiker gelandet hatte, waren nicht imstande gewesen, ihn zu erschüttern. Er hatte Hiebe und Tritte weggesteckt wie harmlose Mückenstiche.
    Ohnmächtig mußte Zamorra mit ansehen – das gesunde Auge erfüllte nach wie vor seinen Dienst – wie der Ibisköpfige jetzt mit der freien Hand nach dem Freund langte und ihn festhielt wie eine Stahlklammer. Dann stieß die Dolchhand wieder zu. Und nun gab es für Bill kein Entkommen mehr.
    Der gequälte Aufschrei des Freundes ging Zamorra durch Mark und Bein.
    Nach der vollzogenen Bestrafung, die Osiris und seine Henkersknechte beifällig verfolgt hatten, zog sich Gottesauge auf seine Ausgangsposition zurück.
    Der bedauernswerte Bill hatte jedoch den Kelch des Leidens noch nicht bis zur Neige geleert. Nicht minder Entsetzliches wartete noch auf ihn.
    Ein weiterer Dämon sprang aus der Phalanx der Osiris-Helfer. Löwenhäuptig, mit langer, rotbrauner Mahne, stark von Gestalt.
    Während sich Bill noch vor Schmerzen krümmte, trat die Kreatur auf ihn zu.
    »Ich bin Tatzenschläger, der Gerechte, der diejenigen straft, die die Hand gegen die Erhalter der Ordnung heben.«
    Dann ließ er sein Messer durch die Luft zischen und trennte mit einem einzigen Streich Bills rechten Arm vom Rumpf.
    Zamorra knirschte mit den Zähnen. Es bedurfte einer ungeheuren Willensanstrengung, das Furchtbare als Zeuge miterleben zu müssen und doch nicht eingreifen zu können. Aber sein Geist behielt die Oberhand über die beinahe allzu menschlichen Instinkte des Kaa.
    Mit den Kräften, die einem Kaa zur Verfügung standen, war die Aussichtslosigkeit jedes Widerstands vorgegeben. Ja, wenn er sein Amulett bei sich gehabt hätte, wäre es vielleicht möglich gewesen, etwas zu unternehmen. Merlins Magie mochte stärker sein als die der ägyptischen Totenwelt. Aber solche Überlegungen waren müßig. Das Amulett hatte die Reise in diese Dimension nicht mitgemacht, ruhte auf der Brust seines menschlichen Körpers, weit, weit entfernt im Herzen einer irdischen Stadt namens New York.
    Die Mumie auf dem Richterthron übernahm jetzt wieder die Handlungsführung. Die letzten der zweiundvierzig Sünden wurden abgefragt.
    Trotz der Schmerzen, die Zamorra und Bill spürten, antworteten sie prompt und schnell. Alles andere wäre vermutlich mit neuen Verstümmelungen geahndet worden.
    Dann kam die letzte Frage. Und auch die beantworteten die beiden zur Zufriedenheit des Totengerichts.
    Die »Verhandlung« war vorüber.
    Von irgendwoher kam eine Gestalt mit golden glänzendem Falkenkopf und stellte sich in die Mitte zwischen Zamorra und Bill.
    Der Professor wußte sofort, wen er vor sich hatte.
    Horus, den Sohn des Osiris.
    Der Falkengott nahm
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