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Ein verführerischer Akt

Ein verführerischer Akt

Titel: Ein verführerischer Akt
Autoren: Gayle Callen
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Kapitel 1
    London, 1846
    Julian Delane, der Earl of Parkhurst, starrte gebannt den weiblichen Akt an, der im Salon des noblen Herrenclubs hing. Hinter ihm waren die lauten Gespräche der Gentlemen zu hören, die trotz der späten Stunde noch an den Tischen ausharrten, an denen Faro gespielt wurde. Neben ihm standen, Schulter an Schulter mit ihm, seine Freunde Leo Wade und Peter Derby und betrachteten ebenfalls bewundernd den im Kerzenschein schimmernden Körper auf dem Gemälde, dessen Kurven durch einen langen Schal, den die Frau trug, eher betont als verhüllt wurden. Wie hingegossen ruhte die Schöne auf der Seite, das Antlitz jedoch vom Maler in Schatten getaucht und nicht wirklich erkennbar. Trotzdem wusste Julian genau, um wen es sich bei diesem Inbegriff weiblicher Vollkommenheit handelte. Er brauchte ihre Gesichtszüge nicht zu sehen, denn der herzförmige rote Diamant, der zwischen ihren perfekten Brüsten ruhte, reichte, um ihm die Identität der Unbekannten zu verraten.
    Bei dem außergewöhnlichen Stein handelte es sich um das Geschenk eines Maharadschas an seinen Vater. Das ebenso kostbare wie seltene Juwel trug den bedeutsamen Namen »Das Herz Indiens« und war vor mehr als zehn Jahren gestohlen worden. Ein Ereignis, das einen schrecklichen Skandal ausgelöst und, schlimmer noch, letztlich zum Tod seines Vaters geführt hatte. Er war überzeugt gewesen, der Diamant sei für alle Zeiten verschwunden, bis er beim gestrigen Ball am Hals von Miss Rebecca Leland, die ihn wie selbstverständlich zur Schau stellte, wiederaufgetaucht war. Julian hingegen fühlte sich dermaßen konsterniert, dass er nur mit Mühe dem Drang widerstand, sie in aller Öffentlichkeit zur Rede zu stellen – und sich lächerlich zu machen.
    Den ganzen Abend hatte ihn jedoch nur ein einziger Gedanke beschäftigt, nämlich wie er sich Miss Leland nähern konnte, um sie nach dem Schmuckstück zu fragen und sich schließlich mit der vagen Hoffnung zufriedenzugeben, dass sein Freund Leo, der allen und jeden kannte, ihm Näheres über die Dame würde erzählen können. Er persönlich wusste nur, dass sie aus einer skandalträchtigen Familie stammte, weshalb er sie, trotz ihrer unbestreitbaren Reize und obwohl sie die Cousine des Dukes of Madingley war, als mögliche Ehefrau und Countess erst gar nicht in Erwägung gezogen hatte.
    Doch wie war es möglich, dass dieses junge Ding für ein derart sinnlich-frivoles Gemälde Modell gesessen hatte, das bestimmt das Blut eines jeden Mannes in Wallung brachte? Und vor allem: Woher hatte sie den Stein?
    »Ist das nicht ein herrliches Bild?«, meinte Leo gedehnt, betont lässig die Zigarre zwischen die Zähne geklemmt und dabei anzüglich grinsend. Überdies sah er aus, als sei erst vor kurzem ein weibliches Wesen liebkosend mit den Fingern durch seine blonden Locken gefahren, um sie zu zerzausen, und vermutlich war es auch so gewesen.
    Peter dagegen, ein ruhiger, großer Mann mit sandfarbenem Haar, betrachtete mit zur Seite geneigtem Kopf und zusammengekniffenen Augen nachdenklich das Gemälde, als könne er ihm sein Geheimnis entlocken. Anders als Julian und Leo gehörte seine Familie nicht den Peers des Königreichs an, sondern dem niederen Landadel und war nicht sonderlich wohlhabend, zumal er auch noch der jüngere Sohn war. Dies galt in gleicher Weise allerdings ebenfalls für Leo, denn die Earlswürde und der Besitz würden an seinen älteren Bruder gehen, aber er konnte sich mit seinem Anteil ein mehr als komfortables Leben in London leisten. Julian beneidete die Freunde bisweilen, lastete doch erheblich weniger Verantwortung auf ihnen.
    Leo war es auch gewesen, der ihm tagelang von dem Gemälde vorgeschwärmt hatte, um ihn von seinen Verpflichtungen wegzulocken. Eigentlich hatte er gedacht, es sei vertane Zeit, doch beim Anblick des Colliers mit dem Diamanten änderte sich seine Meinung schlagartig.
    »Wer ist sie?«, fragte er, obwohl er die Antwort kannte.
    »Das ist das Interessante an der Geschichte«, sagte Leo. Er zog die Augenbrauen hoch und verzog die Lippen zu einem diabolischen Grinsen. »Sie ist eine von uns.«
    Peter gab einen erstickten Laut von sich. »Was sagst du da?«
    Leo lachte. »Sie ist eine Dame der ersten Gesellschaft, mein Junge.«
    Julian atmete langsam aus. Welchen Beweis brauchte er noch, dass Miss Leland tatsächlich für dieses Gemälde Modell gesessen hatte? »Du irrst bestimmt«, meinte er gelassen, während er hoffte, noch mehr Informationen zu
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