Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0068 - Die Geisternacht

0068 - Die Geisternacht

Titel: 0068 - Die Geisternacht
Autoren: Hans Wolf Sommer
Vom Netzwerk:
Insbesondere die Jünger des Schrecklichen ergingen sich in lauten, unfreundlichen Worten. Der Weißgekleidete jedoch verlor nichts von seiner Würde, wenn auch nicht zu verkennen war, dass seine Stimme ebenfalls an Härte zugenommen hatte.
    »Sie beschimpfen sich«, sagte Pizana. »Sie machen sich gegenseitig ihre Götter madig, prahlen mit der Macht des einen und belustigen sich über die Ohnmacht des anderen.«
    Es blieb nicht bei dem reinen Wortgefecht.
    Der eine der Jaguarmänner wollte es jetzt anscheinend wissen. Mit einer hastigen Bewegung griff er unter sein Fell und holte etwas hervor.
    Einen Spiegel!
    Gedankenschnell stellte sich Zamorra vor den Indianer. Sein Amulett würde ihn vor der Feuerzunge schützen.
    Aber noch brauchte der Talisman seine Kraft nicht zu offenbaren.
    Der Diener Tezcatlipocas drohte offensichtlich nur.
    Der Priester des Rundtempels nahm die Herausforderung an.
    Auch er förderte einen Gegenstand zu Tage. Einen grüngefiederten Stab in Schlangenform.
    Wieder flogen die Argumente zwischen den feindlichen Priestern hin und her. Pizana brauchte gar nicht zu übersetzen. Ton und Mimik der Betroffenen sprachen für sich.
    Dann gehörte das Stadium des kalten Krieges endgültig der Vergangenheit an. Der Krieg wurde heiß.
    Der Anhänger Tezcatlipocas richtete seinen Spiegel auf den Weißgekleideten. Rauch und Feuer brachen hervor.
    Der Quetzalcoatl-Priester war jedoch wohl gerüstet. Er hielt seinen Stab wie ein Schutzschild vor sich. Eine bläulich leuchtende Korona umspielte die Schlange, raubte der dämonischen Feuerzunge jede Wirkung. Raunen ging durch die Reihen der Krieger.
    Mit einem Wutschrei fuhr der Mann mit dem Jaguarfell halb herum. Der Spiegel zielte jetzt auf Zamorra.
    Nichts, reinweg gar nichts geschah. Die Abwehrkräfte des Amuletts erstickten den magischen Angriff bereits im Keim.
    Das war zu viel für die Krieger. Für sie musste es so aussehen, als ob es wirklich Quetzalcoatl gewesen war, der den Fremdling beschützt hatte.
    Quetzalcoatl war mächtiger als Tezcatlipoca!
    Sie stoben davon wie von Furien gehetzt.
    Nur die Priester des Schrecklichen blieben zurück. Nicht lange allerdings. Denn plötzlich waren da unzählige grüne Schlangen, die mit weit aufgerissenen Rachen nach den Jaguarmännern schnappten.
    Die Jünger Tezcatlipocas hatten es nun ebenfalls sehr eilig, Land zu gewinnen.
    Der Mann auf der Treppe wandte sich jetzt erstmalig direkt an seine beiden Schützlinge. Beinahe ehrerbietig sagte er etwas in seiner Sprache.
    »Er bittet um die Gnade Ihres Besuchs«, übersetzte der Indianer.
    Professor Zamorra nickte huldvoll.
    ***
    Sie stiegen die mit Fackeln gesäumte Treppe empor. Zamorra kam sich vor, als würde er sich auf einer Himmelsleiter fortbewegen.
    Hoch ging es hinaus. Der runde Pyramidentempel des Quetzalcoatl war mit Abstand das höchste Bauwerk der ganzen Stadt, wie der Ausblick von der oberen Plattform verriet.
    Aber nicht der Blick nach unten war es, der dem Professor beinahe das Herz stehen bleiben ließ. Der Grund hierfür war ein ganz anderer.
    Räder!
    Seltsame Räder, zweifellos. Reifen eher. Aus Holz gefertigt, weit davon entfernt, ebenmäßig rund zu sein, ohne Speichen. Aber das Prinzip war klar erkennbar.
    Ein Prinzip, das den vorspanischen Völkern Mittelamerikas gänzlich unbekannt gewesen war!
    Die Räder lagen vor einem altarähnlichen Steinblock, mit Blumen und Federn geschmückt.
    Zamorra musste sich anstrengen, den Priester Quetzalcoatls nicht merken zu lassen, wie sehr ihn diese Entdeckung bestürzte. Betont ausdruckslos sah er den Weißgewandeten an, der in leicht unterwürfiger Haltung vor ihm stand.
    Der Mann sagte etwas in fragendem Tonfall.
    Pizana dolmetschte. »Er bittet den hohen Herrn, seine Wünsche zu nennen.«
    »Hohen Herrn?«, wunderte sich der Professor Zamorra.
    »So hat er sich ausgedrückt. Er hält Sie für einen hohen Herrn und mich für eine Art Diener.«
    »Oh!« Zamorra überlegte kurz. »Gut! Dann erklären Sie ihm doch einfach, dass wir einen unverschämten Hunger und ebensolchen Durst haben. Vielleicht gibt es hier eine Küche oder so etwas Ähnliches.«
    Pizana tat wie geheißen. Nicht ohne Erfolg. Der Priester verbeugte sich und klatschte in die Hände. Sofort erschienen mehrere andere Männer, ähnlich gekleidet wie der Priester, nur weitaus weniger aufwändig. Sie erhielten Anweisungen und zogen sich wieder zurück.
    Der Weißgewandete machte eine einladende Geste und bedeutete ihnen, ihm zu folgen. Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher