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0068 - Die Geisternacht

0068 - Die Geisternacht

Titel: 0068 - Die Geisternacht
Autoren: Hans Wolf Sommer
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waren nicht unbedingt heiterer Natur.
    Für den Augenblick stellte er alle Überlegungen zurück. Es zeigte sich, dass es tatsächlich eine Küche in diesem Tempel gab.
    Und was für eine!
    Sechs Männer betraten den Raum und traten auf den Tisch zu.
    Wäre der Chef des Pariser Maxim anwesend gewesen, er hätte sich vor Verzweiflung aufgehängt. Niemals hätte er davon träumen können, seinen Gästen einen solchen Service bieten zu können.
    Auf großen, mit Blattgold belegten Holzbrettern schleppten sie eine Reihe kleiner Keramikpfannen heran, in denen Holzkohle glühte. Diese Pfannen breiteten sie auf dem Tisch aus. Und dann ging es los. Eine Vielzahl von handtellergroßen Platten wurden auf die Pfannen gesetzt, gefüllt mit ungeahnten Köstlichkeiten: Kaninchen, Wildschwein, Rebhuhn, Fasan, Wachteln, Truthahn, Vögel der verschiedensten Art, Kräutersalate, Gemüse mit exotischen Essenzen angerichtet und, und, und… Die Augen konnten es gar nicht mit einem Mal aufnehmen, wollten es vielleicht auch nicht, denn es waren auch einige Platten dabei, bei deren Anblick sich der Magen eines Mitteleuropäers umdrehte. Gebackene Würmer, rohes blutendes Fleisch …
    Dazu gab es vielerlei Arten von Früchten und ein köstliches Getränk, das sich als Kakao entpuppte, gereicht in kleinen goldenen Bechern.
    Die unappetitlichen Sachen ignorierend, langten Zamorra und sein Sprachrohr zu. Und auch der Priester erwies sich nicht als Kostverächter. Er begann allerdings erst zu essen, nachdem er von Zamorra mit einem aufmunternden Kopfnicken dazu aufgefordert worden war.
    Während des Festmahls bekam der Professor ein richtig schlechtes Gewissen. Wenn er an Nicole und Bill dachte, die hungrig und durstig in ihrer Felsenmulde hockten…
    Schließlich war das nächtliche Diner beendet. Die Domestiken – rangniedrige Quetzalcoatl-Priester vermutlich – brachten Wasser in goldenen Schüsseln zum Händewaschen und räumten die verbliebene Pracht ab. Sie hätte noch ausgereicht, eine halbe Armee zu beköstigen.
    Der Ernst des Lebens begann wieder.
    Zamorra beugte sich zu Tizoc Pizana hinüber, der wahrscheinlich noch nie in seinem Leben derartig geschlemmt hatte, und sagte: »So, Tizoc! Nun wollen wir endlich einmal ein ernstes Gespräch mit unserem Gastgeber führen.«
    ***
    Nicole Duval und Bill Fleming wurden in der Tat schwer von Hunger und Durst geplagt. Aber es gab etwas, das sie noch viel mehr plagte: Die Sorge um Professor Zamorra und seinen Begleiter.
    »Weißt du, wie lange die beiden jetzt schon weg sind?«, flüsterte Nicole mit leiser, bedrückter Stimme.
    »So lange ja nun auch wieder nicht«, antwortete der Amerikaner und bemühte sich dabei, seiner Stimme einen Anstrich von Sorglosigkeit zu geben.
    Er wusste natürlich, wie recht Nicole hatte. Aber ihr gegenüber wollte er das nicht zugeben. Wenn er Zuversicht verbreitete, kam sie vielleicht etwas von ihren trüben Gedanken ab.
    Aber es nutzte nichts. Nicole war der Verzweiflung nahe.
    »Es ist bestimmt etwas passiert, Bill«, sagte sie. »Dies ist ein schreckliches Land und eine schreckliche Zeit. Blut und Tod. Ganz bestimmt ist dem Chef irgend etwas passiert. Ich habe es im Gefühl.«
    Bill seufzte und blickte zum Nachthimmel empor. Die kalte Pracht der Sterne faszinierte ihn sonst über alle Maßen. Scheinbar so nah und doch so weit entfernt… Aber in dieser Nacht hatte er beim Anblick des Himmelszeltes ganz andere Gedanken. Die leuchtenden Punkte dort oben erschienen ihm heute wie Augen, die böse und tückisch auf die Erde hinabstarrten.
    Dies galt ganz besonders für ein ganz bestimmtes Sternbild: Den Großen Bären.
    Wie lange mochten die beiden jetzt tatsächlich schon verschwunden sein? Vier Stunden? Fünf Stunden? Schwer zu sagen.
    Nervosität und innere Unruhe trübten das Zeitgefühl.
    »Du machst dir bestimmt grundlose Sorgen, Nicole«, tröstete er.
    »Wir kennen Zamorra doch. Er lässt sich so leicht nicht unterkriegen. Und außerdem – er hat ja sein Amulett. Wer will ihm schon etwas anhaben?«
    »Machen wir uns doch nichts vor«, widersprach Nicole heftig.
    »Das Amulett! Sicherlich, es gewährt einen gewissen Schutz gegen die Macht des Bösen. Aber ansonsten? Er ist ein Mensch wie du und ich. Ein Messerstich in den Rücken, ein Keulenlieb auf den Kopf… Gegen herkömmliche Gewalteinwirkung ist er nicht gefeit.«
    Wem sagte sie dies? Natürlich wusste er ganz genau, dass sie recht hatte. In dieser fremden Stadt dort unten im Tal konnte viel
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