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0068 - Die Geisternacht

0068 - Die Geisternacht

Titel: 0068 - Die Geisternacht
Autoren: Hans Wolf Sommer
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sich, das rätselhafte Phänomen mit den Gesetzen der Logik zu erklären.
    Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Wie von einer Giftschlange gebissen fuhr er herum und rannte zurück zu dem Loch in den Felsen. Er kletterte hinein. Aber schon kurz darauf kam er wieder zum Vorschein. Mit einem Gesicht, das die Betroffenheit überschattete.
    »Das Tor in die Vergangenheit ist bereits wieder geschlossen«, sagte er leise, als er wieder bei den beiden anderen stand.
    »Nein!« Nicole schrie es fast. »Und der Chef?«
    »Er ist noch drüben!«
    Bill antwortete nicht sofort. Er überlegte, ließ sich wiederum nur von der Logik leiten.
    Und dann glaubte er, die Lösung zu haben.
    »Er ist nicht mehr drüben, Nicole. Er ist hier.« Er zeigte auf die schwebende Gestalt.
    »Aber…«
    »Es ist alles ganz logisch«, fuhr der Historiker fort. »Irgendwie ist er drüben in dieses geheimnisvolle Lichtfeld geraten. Frag mich nicht wie, aber so muss es gewesen sein. Und seitdem schwebt er hier, zeitlos, nicht alternd, seit Hunderten von Jahren.«
    Nicole schüttelte den Kopf. »Da ist ein Haken in deiner Theorie. Als wir zuerst hierher kamen… Haben wir ihn da vielleicht gesehen?«
    »Da war Zamorra bei uns«, entgegnete Bill. »Es ist nicht möglich, dass jemand gleichzeitig zweimal zugegen ist. Padre Henrique hat uns erzählt, dass Xamotecuhtli vor rund vierzig Jahren verschwunden ist und danach nur noch sporadisch sichtbar wurde. Vor etwas mehr als vierzig Jahren wurde Zamorra geboren. In diesem Augenblick lebte er also zweimal – als Säugling und hier als Xamotecuhtli. Ein Paradoxon, das es nicht geben durfte. Xamotecuhtli wich in eine andere Dimension aus. Und er erschien jeweils dann wieder für gewisse Zeit in unserer Dimension hier, wenn sein anderes Ich gerade nicht in unseren Dimensionen weilte – wenn sein anderes Ich sich beispielsweise im Zwischenreich aufhielt oder aber eine Zeitreise angetreten hatte. So wie gerade, als er mit uns zusammen bei den Azteken war. So, als wir gemeinsam auf den Spuren Leonardo de Montagnes bei den Kreuzrittern weilten. Zu diesen Zeiten rutschte Xamotecuhtli jeweils kurzfristig wieder in unsere Dimension zurück, um sofort wieder zu verschwinden, wenn Zamorra von seiner Zeitreise zurückkam. Verstehst du?«
    Nicole war sich nicht sicher, ob sie verstand. Und es war ihr im Moment auch nicht so wichtig. Viel wichtiger war ihr, was nun mit dem Chef passieren sollte. Wie konnte man ihn aus dieser fürchterlichen Lichtwolke befreien?
    Sie streckte die Hand aus und berührte das leuchtende Feld. Es war solide, glatt und fest, brachte die Haut zum Kribbeln. Und es war undurchdringlich.
    Auf einmal sagte sie: »Bill, gib mir das Amulett des Chefs.«
    Ein wachsamer Ausdruck trat in Bills Augen. »Du meinst…«
    Sie nickte. »Merlin ist ein mächtiges Wesen. Mächtiger sicherlich als ein Aztekengott. Sein Amulett könnte…«
    Sie sprach nicht weiter, nahm das Medaillon aus Bills Hand und hielt es unverzüglich gegen die Lichtwand.
    Und es geschah.
    Da war plötzlich ein sengender Blitz, der sie alle beinahe blendete.
    Für Sekunden waren sie nicht in der Lage, überhaupt etwas wahrzunehmen. Aber dann…
    Der Halo war verschwunden. Und Xamotecuhtli lag auf dem steinigen Untergrund.
    Professor Zamorra lag auf dem steinigen Untergrund.
    Mit Augen, die mehr gesehen hatten als jeder Mensch vor ihm, blickte er sie an. Dann lächelte er schwach.
    »Auf diesen Augenblick habe ich fast fünfhundert Jahre gewartet«, sagte er.
    Seine Stimme klang wie immer.
    ENDE
    [1] Siehe Professor Zamorra Nr. 63 »Der Hüter des Bösen«
    [2] Siehe Professor Zamorra Nr. 51 »Das Schiff der toten Seelen«
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