Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
006 - Der lebende Leichnam

006 - Der lebende Leichnam

Titel: 006 - Der lebende Leichnam
Autoren: Peter Randa
Vom Netzwerk:
haben gerade …«
    Ich halte mich noch rechtzeitig zurück.
    »Während ich bewusstlos war, haben Sie öfter diesen Namen ausgesprochen.«
    Ich habe sie in Verlegenheit gebracht. Sie zögert einen Augenblick, dann verlässt sie das Zimmer. Auch ich bin verwirrt. Es waren ihre Gedanken, die ich gehört habe. Das heißt, verstanden. Eine Art unvorhergesehener Kontakt zwischen ihrem Geist und dem meinen.
    Ich schließe die Augen, und plötzlich ist es wieder da. Das, was ich beim Erwachen suchte, tritt jetzt ganz unvermutet ein. Ich komme mir vor wie von allem abgeschnitten. Ausgesperrt aus dem, was mich umgibt. Nur noch Geist.
    Keine Zeit, zu analysieren. Ich bekomme es mit der Angst zu tun und suche irgendeinen Halt. Der Übergang findet fast augenblicklich statt, und ich öffne die Augen. Welche Erleichterung!
    Wie ist das geschehen? Ach ja … Ich habe mich gehen lassen. Ja. Ich habe mir vorgestellt, zu fallen. Jetzt versuche ich, dasselbe noch einmal zu vollziehen. Diesmal bewusst. Wahrscheinlich wird es nicht klappen, denn ich habe die Augen offen.
    Doch, da ist es wieder. Eigenartig, ich spüre meinen Körper nicht mehr. Ich richte mich auf, um auf den Fußboden zu blicken, beuge mich vor und sehe die Kunststofffliesen. Trotzdem habe ich das Gefühl, mich nicht bewegt zu haben.
    Auf jeden Fall hat es mich in keiner Weise angestrengt, während mir sonst jede Bewegung schwer fällt und ich sofort müde werde.
    Langsam richte ich mich auf und stelle fest, dass ich mitten auf meinem Bett knie. Die Tür geht auf. Zuerst erscheint Mireille, hinter ihr folgen Dr. Marlat und ein beleibter Mann mit strengem Gesichtsausdruck.
    Sicher ist das Kommissar Dutoit. Zu dumm, dass sie mich in dieser lächerlichen Stellung sozusagen in flagranti überraschen. Damit hatte ich nicht gerechnet.
    Ich lache verlegen, aber Mireille tut so, als habe sie nichts bemerkt. Sie sagt nur: »Schauen Sie, wie unruhig er schläft.«
    »Na, so was!«
    Ist sie verrückt geworden, oder was ist mit ihr los? Der Kommissar und Dr. Marlat scheinen mich ebenfalls nicht zu sehen. Der Doktor sagt:»Lassen wir ihn in Ruhe!«
    »Wie lange wollen Sie mir denn noch diese blödsinnige Komödie Vorspielen?«
    Ich bin so aufgebracht, dass ich es fast schreie, aber sie gehen alle drei wieder hinaus. Ich sehe, wie sich die Tür hinter ihnen schließt, dann lache ich laut auf und lege mich wieder hin. Was soll dann das alles heißen?
    Warum haben sie so getan, als hätten sie mich nicht gesehen? Alle drei. Bei Marlat und Mireille war es vielleicht Taktik aus medizinischen Gründen, aber der Kommissar hatte doch keinen Grund, bei ihrem Spiel mitzumachen.
    Es sei denn, sie haben ihn vorher eingeweiht. Gut. Aber was bezwecken sie mit diesem Täuschungsmanöver? Dass ich wahnsinnig werde?
    Auf jeden Fall hat Dutoit nichts gesagt. Kein Wort. Da ich aufgehört habe, mich zu konzentrieren, befinde ich mich nicht mehr in diesem Schwebezustand. Ich versuche wieder, mich aufzurichten, aber diesmal kostet es mich eine ungeheure Anstrengung. Ich merke, wie sich meine Stirn mit Schweiß bedeckt, und ich habe nicht die Kraft, lange sitzen zu bleiben.
    Ich sinke auf mein Kissen zurück. Im gleichen Augenblick packt mich die Angst. Marlat macht das alles vielleicht nur, um mich länger bei sich behalten zu können. Er hofft, mich davon zu überzeugen, dass man mich unter keinen Umständen in absehbarer Zeit entlassen kann.
    Aber wie dem auch sei, für mich ist die Entlassung ohnehin eine recht zweischneidige Sache, und ich frage mich, was besser ist: Krankenhaus oder Gefängnis?
     

     
    Mireille bringt mir mein Mittagessen. Ich habe so lange darauf beharrt, nur Appetit auf blutiges Fleisch zu haben, dass man mir ein Steak zubereitet hat, das innen noch roh ist. Ich finde es allerdings winzig.
    »Ist der Kommissar gekommen?«
    Sie sieht mich überrascht an und fragt etwas beunruhigt: »Woher wissen Sie das?«
    »Ich habe Sie alle drei hier eintreten gesehen.«
    »Haben Sie nicht geschlafen?«
    »Mireille, Sie wissen genau, dass ich wach war.«
    »Ich?«
    Ich sehe sie unverwandt an. Ein unschuldiges Gesicht. Ihr Erstaunen ist auf jeden Fall gut gespielt. Und plötzlich dringe ich in ihre Gedanken ein. Sie macht sich nicht lustig über mich. Sie belügt mich nicht, als sie lächelnd zu mir sagt: »Das ist nicht nett von Ihnen, sich schlafend zu stellen, aber ich verstehe Sie. Bestimmt ist es für Sie nicht angenehm, sich mit diesem Kriminalbeamten zu unterhalten und alle seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher