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006 - Der lebende Leichnam

006 - Der lebende Leichnam

Titel: 006 - Der lebende Leichnam
Autoren: Peter Randa
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entdeckt und Ihnen helfen können.«
    »Und jetzt?«
    »Ich kann Sie nicht mehr jung machen, Morel.«
    Ich merke, wie ich einschlafe, aber es ist kein gewöhnlicher Schlaf. Marlat hypnotisiert mich. Ich lasse ihn gewähren. Meine einzige Hoffnung ist, dass er ein Gegenmittel findet.
    Allmählich gleite ich in jenes andere Bewusstsein hinüber, aber diesmal ohne meinen Körper zu verlassen.
    Sofort bin ich imstande, seine Gedanken zu lesen, und auch er kann in die meinen eindringen. Eine stumme Zwiesprache findet zwischen uns statt.
    »Hören Sie mich, Morel?«
    »Ja.«
    »Eigentlich dürften Sie es nicht, denn ich habe Sie in Schlaf versetzt.«
    »Ich habe das Gefühl, mich in jener anderen Dimension zu befinden, von der ich Ihnen einmal erzählt habe. Von meinem Ich befreit, aber ohne dass ich meinen Körper verlassen habe.«
    Im gleichen Augenblick fällt mir ein, dass ich ihm nie etwas von meiner Fähigkeit gesagt habe, meinen Körper verlassen zu können. Diesmal will ich nichts vor ihm verbergen. Mit ernster Miene hört er mir zu. Das heißt, ich weiß nicht, ob ich tatsächlich spreche. Aber zumindest kommt es mir so vor.
    Auf jeden Fall versteht er mich und fragt:»Befinden Sie sich jetzt außerhalb Ihres Körpers?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Versuchen Sie doch einmal, ihn zu verlassen. Ihr Organismus wird nicht darunter leiden, denn ich habe ihn ja in Schlaf versetzt.«
    Ich versuche es, aber ohne Erfolg.
    »Es ist mir unmöglich.«
    Er lächelt. Ich merke ihm seine Erleichterung an. Dann zieht er einen Sessel heran und setzt sich.
    »Die Fähigkeit, den Körper zu verlassen. Ich habe daran gedacht, als Sie mir von Ihrem Traum erzählten, in dem Sie angeblich Marie Sauvage ermordet haben. Das kam mir unwahrscheinlich vor. Sie glaubten, Ihren Körper verlassen zu können, aber in Wirklichkeit handelte es sich um Ihren neuen Zustand. Sie haben sich in etwas verwandelt, was ich materialisiertes Bewusstsein nennen möchte. Ihr Fehler bestand darin, zu glauben, dass es mit Ihrem Körper verbunden bleibt. Sie haben nicht gewagt, sich von Ihrer fleischlichen Hülle zu trennen, und jetzt werden Sie mit ihr sterben.«
    Er wird mich ermorden, ich spüre es. Mich ermorden?
    Marlats Erklärungen verwirren mich. Mein neuer Zustand. Ich habe mich in etwas anderes verwandelt. Was ich als den Drang, wieder in meinen Körper zurückzukehren, empfand, war nichts anderes als meine Unfähigkeit, meinen neuen Zustand, die Verwandlung in eine andere Wesenheit, zu akzeptieren.
    Im körperlosen Zustand blieb ich ein Mann in den besten Jahren. Nur dass ich eben unsichtbar war. Das war auch gleichzeitig meine beste Tarnung.
    Ich brauche mich nur aus seiner Hypnose zu befreien. Ich setze meine ganze Willenskraft ein, aber sie ist wie gelähmt, er hat sie betäubt.
    Marlat steht auf, und ich sehe ihn nicht mehr, spüre jedoch seine Nähe. Ich bin sein Gefangener. Das darf nicht sein, ich muss mich befreien.
    Mir ist jetzt alles klar. Ich habe meinen ganzen Ehrgeiz eingesetzt, diese fleischliche Hülle mit mir herumzuschleppen, die ich gar nicht brauchte.
    Ich selbst habe ihr etwas aufgezwungen, das sie gar nicht verkraften konnte.
    Jedes Mal, wenn ich meinen Körper verließ, fühlte ich mich jung und kräftig. Das Blut, das ich benötigte, war für meinen Körper, der überflüssig geworden war. Mein wahrer Zustand ist die Körperlosigkeit.
    Marlat kehrt in mein Blickfeld zurück. Er hat eine Injektionsspritze in der Hand.
    »Nein! Nein!«
    »Ich musste einen Weg finden, Sie in sich selbst einzusperren, Morel.«
    Ich spüre keinen Schmerz, aber ich sehe, wie er den Kolben der Spritze niederdrückt. Ein Verbrechen … ein Verbrechen, für das ihn keiner zur Rechenschaft ziehen wird.
    Mit einem gellenden Schrei stürze ich ins Nichts.
     
     
     
    ENDE
     
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