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006 - Der lebende Leichnam

006 - Der lebende Leichnam

Titel: 006 - Der lebende Leichnam
Autoren: Peter Randa
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sich die pessimistischen Voraussagen des Wissenschaftlers bestätigen sollten, sich die Polizei doch gezwungen sehe, Sondermaßnahmen zu ergreifen.
    Alles Geschwätz. Zornig balle ich die Zeitung zusammen. Ich koche vor Wut. Als ich mich wieder ein wenig beruhigt habe, überlege ich. Dumpfe Angst steigt in mir auf. Bin ich wirklich wahnsinnig?
    Bis jetzt habe ich alle Probleme dadurch gelöst, dass ich jemanden umbrachte. Einen Augenblick lang erschreckt mich das, aber dann verdränge ich alle Skrupel. Na und? Der Tod eines gewöhnlichen Menschen hat für mich nicht mehr Bedeutung als der einer Ratte oder einer Fliege. Durch meinen »Unfall« habe ich mich zu einem höheren Wesen entwickelt, und deshalb halte ich es für mein gutes Recht, mir mehr herauszunehmen als ein gewöhnlicher Sterblicher. Auch wenn meine Mitmenschen meine neuen Fähigkeiten so bald nicht begreifen werden – sie haben sie zu akzeptieren. Die Macht des Stärkeren.
     

     
    Ich habe ohne Appetit gegessen. Die Gerichte erschienen mir ohne jeden Nährwert. Mein Hunger ist zwar gestillt, aber mein Körper ist keineswegs befriedigt. Ich spüre, dass ich bald wieder hungrig sein werde. Es kommt mir vor, als hätte ich seit einer Ewigkeit nichts mehr zu mir genommen und fühle mich sehr geschwächt.
    Zum Glück bin ich jetzt nicht mehr so müde wie vor dem Essen. Nachdem ich gezahlt habe, steige ich wieder in meinen Wagen und fahre los. Ich habe das Autoradio eingeschaltet, weil ich die Nachrichten hören will. Nach einigen Minuten Schlagermusik werden sie durchgegeben.
    Es ist von mir die Rede. Der Sprecher wiederholt einen Teil der Kommentare, die in France-Soir veröffentlicht wurden, und lobt Marlat in den höchsten Tönen. Die Bevölkerung wird aufgefordert, die Warnung des Arztes ernst zu nehmen.
    Dann folgen Erklärungen über Mutationen, und ganz zuletzt meldet der Sprecher den Vorfall in der Tankstelle. Das ist ja schnell gegangen. Man ist sich noch nicht ganz sicher, ob ich der Täter war – aber man vermutet es, denn Marlat hatte ja vorausgesagt, dass ich Gewalttaten begehen würde, die man sich nicht erklären könnte.
    Instinktiv gebe ich mehr Gas. Man hat von einem Chevrolet gesprochen. Deshalb muss ich so schnell wie möglich Dr. Vallons Wagen loswerden. Dann muss ich mir einen anderen beschaffen, aber auf herkömmliche Weise, also durch einen Diebstahl.
    Natürlich weiß ich, wie man so etwas anstellt, und ich werde es machen wie schon so oft. Sicher werde ich in Fontainebleau einen Wagen auftreiben. Ich gebe Vollgas und brause über die Schnellstraße, auf der zu dieser späten Stunde wenig Verkehr herrscht.
    Zwei Motorradfahrer folgen mir. Eigentlich hat das nichts zu bedeuten. Trotzdem beobachte ich sie im Rückspiegel. Ich fahre jetzt hundertfünfzig.
    Der Mann an der Tankstelle in Courbevoie ist vielleicht nicht der einzige gewesen, der Vallons Wagen wieder erkannt hat. Vielleicht hat der andere Tankwart die Nummer notiert und der Polizei durchgegeben. Das wäre wirklich Pech.
    Plötzlich erhöhen die Motorradfahrer ihre Geschwindigkeit. Einer fährt voraus, und bald wird er mich eingeholt haben. Bei dieser Geschwindigkeit ist es unmöglich, dem Kerl einen Streich zu spielen.
    Er kommt mir immer näher, überholt mich und bedeutet mir, anzuhalten. Ich könnte ihn ohne weiteres überfahren, jetzt da er vor mir dahinbraust, aber ich denke an Marlats Voraussagen und bleibe stehen.
    Es ist besser, diesmal die sanfte Tour anzuwenden. Der Motorradfahrer stellt seine Maschine quer, dann kommt er auf mich zu. Da er einen Helm und eine große Schutzbrille trägt, gelingt es mir nicht, in seine Gedanken einzudringen.
    »Ihre Papiere, bitte!«
    »Was habe ich denn getan?«
    »Nichts. Es handelt sich nur um eine Routinekontrolle.«
    Er schiebt seine Brille auf die Stirn, und sofort weiß ich, was er denkt. Der Tankwart hat die Nummer des Chevrolet weitergegeben. Da jedoch seine Personenbeschreibung von mir nicht mehr mit der Marlats übereinstimmt, verdächtigt man mich nicht.
    Ich tue so, als suchte ich im Handschuhfach nach den Papieren. Gleichzeitig suggeriere ich dem Motorradfahrer, dass er mich in Ruhe lassen soll. Im nächsten Augenblick spüre ich, wie sein Misstrauen schwindet.
    Lächelnd frage ich:»Kann ich weiterfahren?«
    »Ja.«
    Er blickt zu seinem Kollegen, der ein Stück hinter uns gehalten hat, und schüttelt den Kopf. Eine letzte Gedankenwelle, und ich starte den Motor. Langsam fahre ich an ihm vorbei, dann gebe ich
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