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006 - Der lebende Leichnam

006 - Der lebende Leichnam

Titel: 006 - Der lebende Leichnam
Autoren: Peter Randa
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in den Vorraum hinunter und schiebe den Riegel an der Tür zu der Gummizelle zurück.
    Mein Körper steht noch immer unter dem Einfluss des Betäubungsmittels. Ich packe ihn und werfe ihn mir über die Schulter. Wenn uns jemand sehen könnte, würde er glauben, dass ich durch die Luft schwebe.
    Kein Mensch weit und breit. Ich steige die Treppe hinauf. Mein Körper scheint gewichtlos zu sein, denn ich spüre ihn kaum.
    Im körperlosen Zustand muss ich über herkulische Kräfte verfügen. Ich gelange in den Park und laufe durch eine Allee in Richtung der Umgrenzungsmauer. Natürlich kann ich nicht damit rechnen, sehr weit zu kommen, wenn ich meinen Körper auf diese Art transportieren muss.
    Ich lege ihn neben ein Blumenbeet. Es kommt mir vor, als wachte ich jetzt auf. Ein Zucken läuft über mein Gesicht. Das ist wahrscheinlich die frische Luft. Höchste Zeit, dass ich aufwache, denn ich beginne schlappzumachen.
     

     
    Endlich konnte ich in meinen Körper zurückkehren, aber ich fühle mich schwach und wie betäubt. Diesmal verspüre ich nicht die eisige Kälte wie sonst, wenn ich wieder »erwache«.
    Sonst keinerlei Beschwerden. Ich stehe auf und mache ein paar Turnübungen, um meine Glieder zu lockern, dann gehe ich mit etwas unsicheren Schritten die Mauer entlang und suche einen Ausgang.
    Die Dämmerung bricht herein. Das ist gut so, denn die Dunkelheit gewährt mir Schutz. Eine Tür. Der Schlüssel steckt im Schloss. Ich öffne sie und stehe auf einer Straße. Eine Hauptstraße, nach dem Verkehr zu urteilen.
    Ich orientiere mich und mache mich auf den Weg in Richtung Stadt. Allmählich werde ich munter. Wohin soll ich gehen? Sobald man in der Klinik mein Verschwinden bemerkt, wird man die Verfolgung aufnehmen.
    Ich lächle. Wer mich angreifen will, wird seine Überraschung erleben.
    Auf beiden Seiten der Straße stehen Häuser, umgeben von größeren und kleineren Gärten. Die Gegend ist einsam. Nur Durchgangsverkehr. Plötzlich sehe ich, wie ein Stück vor mir ein Chevrolet hält.
    Ein Mann steigt aus und geht auf ein Tor zu, das er öffnet. Am Ende einer kurzen Allee sehe ich eine Villa, deren Fenster dunkel sind.
    Vielleicht eine Chance für mich. Der Mann kehrt zu dem Wagen zurück. Ich gehe rascher. Er sitzt schon hinter dem Steuer und lässt den Motor an. Ich reiße die Wagentür auf, um auf den Rücksitz zu springen.
    »Was fällt Ihnen ein?«
    Wütend steigt der Mann aus, und ich antworte:»Mir ist schlecht.«
    Ich tue so, als ob ich in Ohnmacht fiele, sinke zur Seite und verlasse gleichzeitig meinen Körper. Sofort konzentriere ich mich auf seine Gedanken.
    Ein anständiger Kerl. Er ist bestürzt. Vor allem, weil er allein in der Villa ist. Das trifft sich gut. Außerdem hat er ungefähr meine Figur. Er beugt sich über mich und fühlt mir den Puls. Ein Arzt!
    Ohne zu zögern hebt er mich auf und zerrt mich in seinen Wagen, um mir Erste Hilfe zu leisten. Ich lache innerlich laut auf, als ich sehe, wie er in die Villa läuft und das Tor offen lässt.
    Sobald er im Haus verschwunden ist, steige ich aus dem Wagen und folge ihm.
    Kurz danach kehrt er zu seinem Auto zurück, um meinen Körper herauszuheben. Ich beobachte die Szene. Er trägt mich in den Salon und legt mich auf ein Sofa.
    Er macht Licht, und ich fahre fort, seine Gedanken zu lesen. Dann beugt er sich über mich und horcht mich ab.
    Nicht übel dieser Salon! Luxuriös. Ein riesiger Wandspiegel über dem Kamin. Ich sehe mein Spiegelbild. Du lieber Gott! Ich erkenne mich nicht wieder. Als sei ich plötzlich um zehn Jahre gealtert. Mein Haar ist fast grau, und mein Gesicht voller Falten.
    Aber das ist doch nicht möglich! So habe ich doch nicht ausgesehen, als ich im Park der Klinik in meinen Körper zurückkehrte. Das wäre mir aufgefallen.
    Während ich bestürzt mein Spiegelbild betrachte, steht der Arzt auf und geht in das Zimmer, um seine Tasche zu holen. Als er zurückkommt, stehe ich immer noch regungslos da.
    Er nimmt eine Spritze aus der Tasche. Kommt nicht in Frage. Das habe ich gerade hinter mir. Ich will keine Spritze.
    Im nächsten Augenblick stehe ich hinter ihm und ergreife eine kleine Bronzestatue, die auf dem Kamin steht. Ich hebe den Arm über seinen Kopf und schlage zu.
     

     
    Der Arzt bricht zusammen, aber er ist nur betäubt. Rasch reiße ich die Gardinenschnur herunter und fessle ihn, bevor ich wieder in meinen Körper zurückkehre.
    Wieder stelle ich mich vor den Spiegel. Ja, mein Haar ist grau und das Gesicht voller
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