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006 - Der lebende Leichnam

006 - Der lebende Leichnam

Titel: 006 - Der lebende Leichnam
Autoren: Peter Randa
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ich bin ja schließlich nicht von gestern. Natürlich werde ich mich nicht stellen. Das wäre zu einfach. Nein, ich denke gar nicht daran.
    Inzwischen läuft die Fahndung nach mir auf vollen Touren. Nach dem Zwischenfall in der Tankstelle von Courbevoie ist man zu der Villa Dr. Vallons gefahren und hat ihn tot aufgefunden. Wasser auf Marlats Mühle. Man weiß, dass ich Kleider gestohlen habe.
    Ein Porträt von mir. Nicht die geringste Ähnlichkeit. Das Bild eines jungen Mannes mit regelmäßigen Zähnen. Ja, so habe ich einmal ausgesehen. Vor gar nicht langer Zeit. Jetzt habe ich Falten im Gesicht, und meine Eckzähne sind spitz und doppelt so lang wie früher.
    Auch die beiden Motorradfahrer von der Schnellstraße haben ihren Bericht vorgelegt. Der, dessen Gedanken ich beeinflusst habe, kann immer noch nicht begreifen, was passiert ist. Auf jeden Fall nimmt man Marlats These jetzt allmählich ernst.
    Man hat meine Spur in Millyla-Foret verloren. Man hat aber inzwischen auch die Leiche des Chauffeurs auf der Straße nach Malesherbes gefunden. Und aufgrund von Marlats Behauptungen stellt man eine Verbindung her. Schade, dass Oskar den Kerl nicht getötet hat.
    Seinetwegen wird man immer wieder meine; Spur finden. Alles, was man über mich in Erfahrung bringt, scheint man ihm sofort mitzuteilen, und er gibt seinen Kommentar dazu. Das Taxi, das ich am Stadtrand von Montargis stehengelassen habe, ist offenbar noch nicht entdeckt worden.
    Zumindest steht nichts davon in der Zeitung. Aber vielleicht hat man den Wagen doch schon gefunden. Auf jeden Fall wird es nicht lange dauern, bis sie ihn haben, und dann geht die Jagd weiter. Die Polizei wird alle Hotels durchkämmen. Man wird das Zimmermädchen verhören.
    Ich bin gezwungen, weiter zu fliehen. Leider hat der eine Motorradfahrer bei meiner Personenbeschreibung etwas erwähnt, was mir gefährlich werden könnte. Den merkwürdigen Glanz in meinen Augen. Das ist mies.
    Jedem kann das auffallen, ohne dass ich es merke. Noch ist nicht die Rede davon, mich abzuknallen wie einen tollwütigen Hund, wenn man mich findet. Aber der Verfasser des Artikels lässt durchblicken, dass das nicht mehr lange dauern wird.
    Ich bezahle mein Mineralwasser, das ich nicht angerührt habe, dann verlasse ich das Lokal.
    Ich gehe mit gesenktem Kopf, um meinen Blick vor den Passanten zu verbergen. Im ersten Optikerladen, an dem ich vorbeikomme, kaufe ich mir eine Sonnenbrille, und bevor ich das Geschäft verlasse, verwische ich in den Gedanken des Verkäufers sorgfältig jede Erinnerung an meinen Besuch.
     

     

Wieder einen Wagen zu klauen, hat keinen Sinn. Außerdem werden alle Straßen überwacht. Davon bin ich überzeugt. Eine Art sechster Sinn sagt es mir.
    Am einfachsten ist es noch, den Zug zu nehmen. Ich befrage die Gedanken eines Passanten, um herauszufinden, wo der Bahnhof liegt. Ich muss eine Brücke überqueren, dann eine lange Allee entlanggehen.
    Ich beeile mich. Der Zug. Das beste Mittel, mich so weit wie möglich von meinen Verfolgern zu entfernen, ohne eine neue Panik auszulösen.
    Der Bahnhof. In zehn Minuten geht ein Zug nach Nevers. Also auf nach Nevers! Für mich ist nur wichtig, mich so schnell wie möglich von dem Ort zu entfernen, wo nach mir gefahndet wird.
    Ohne Fahrkarte gehe ich durch die Sperre, wobei ich den Beamten davon überzeuge, dass er meine bereits gelocht hat.
    Auf dem Bahnsteig etwa ein Dutzend Reisende. Ich muss ein leeres Abteil finden. Die meisten der Fahrgäste sind Frauen, einige darunter noch sehr jung. Instinktiv blicke ich auf ihren Hals.
    Sie interessieren mich einzig und allein als Blutspenderinnen. Bei dem Gedanken an Mireille lächle ich überlegen. Wie konnte ich mich soweit gehen lassen, für sie das zu empfinden, was die Menschen Liebe nennen?
    Keuchend stampft die Lokomotive an mir vorbei, und ihr Dampf schlägt mir ins Gesicht. Ein unangenehmer Geruch nach Kohle und Schmieröl. Ich muss husten, dann mache ich mich auf die Suche nach einem Abteil.
    Ich setze mich in die erste Klasse, wo ich mehr Chancen habe, allein zu bleiben. Wenn jemand hereinkommt, werde ich sofort seine Gedanken beeinflussen. Ich mache es mir am Fenster gemütlich und lehne mich bequem zurück.
    Mein Gott, dauert das lange! Der Bahnsteig ist leer, aber der Zug fährt nicht ab. Fahrplan ist Fahrplan. Alle diese Kindereien der Menschen finde ich lächerlich. Meine Angst lässt nach, ich werde ganz ruhig.
    Endlich setzt sich der Zug in Bewegung. Entspannt stehe ich auf und
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