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0051 - Das Schiff der toten Seelen

0051 - Das Schiff der toten Seelen

Titel: 0051 - Das Schiff der toten Seelen
Autoren: Susanne Wiemer
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langsam beruhigte sich sein Atem. Sein Gesicht nahm wieder die normale Farbe an, und er tastete mechanisch über seinen schmerzenden Hals, während er kopfschüttelnd seinen bewußtlosen Kollegen anstarrte.
    Zwei Minuten später kam auch Claude Debrel wieder zu sich.
    Vollkommen verwirrt sah er sich um.
    Er wußte nicht, wie er hierherkam, er wußte nicht, was geschehen war. Er erinnerte sich buchstäblich an nichts – und das ungläubige Entsetzen in seinen Augen bewies ohne jeden Zweifel, daß er die Wahrheit sagte.
    Eine momentane geistige Verwirrung…
    Etwas in der Art mußte es gewesen sein, darüber waren sich die Beamten einig. Lediglich ein grauhaariger Streifenpolizist, dessen Familie seit Generationen hier ansässig war und der die Legenden über Château Montagne besser als die anderen kannte, wollte widersprechen, aber ein warnender Blick von Malice brachte ihn zum Schweigen. Der arme Debrel wurde sofort zum nächsten Arzt gefahren. Die anderen Beamten kletterten wieder in die Wagen, und nur der Kommissar blieb noch einen Moment lang neben dem alten Diener im Schloßhof stehen.
    »Haben Sie irgendeinen Verdacht, Raffael?« fragte er. »Glauben Sie – daß es wieder einmal nicht mit rechten Dingen zugeht?«
    »Ich weiß es nicht. Es ist alles sehr seltsam. Zuerst dachte ich… Aber nein, das ist unmöglich! Es gibt schon lange keine Geister und Dämonen mehr auf Château Montagne.«
    »Sie halten mich auf dem Laufenden?«
    »Selbstverständlich, Commissaire! Ich hoffe, der Professor wird bald zurück sein.«
    Malice nickte nur.
    Die beiden Männer verabschiedeten sich, und wenig später rollte der kleine Wagenkonvoi wieder über die Zugbrücke. Raffael sah ihm nach, bis der tiefe Schatten zwischen den Tannen rechts und links der Landstraße ihn aufnahm. Einen Moment lang starrte der Butler in die schrägen, glutroten Strahlen der Abendsonne, dann atmete er tief durch, wandte sich um und schloß die schwere Tür so behutsam hinter sich, als fürchte er, irgend jemanden aufzustören.
    Unschlüssig blieb er in der Halle stehen.
    Sollte er weitersuchen? Noch einmal alles auf den Kopf stellen, bis er Klarheit hatte? Er schüttelte den Kopf – denn im Grunde wußte er bereits ganz genau, was er finden würde, wenn er es versuchte.
    Er war es, dachte er.
    Er ist zurückgekehrt, er wird wieder sein Unwesen treiben und Angst und Schrecken verbreiten…
    Mit bleichem Gesicht ging der alte Diener auf die Treppe zu, und über seinen Rücken rann ein kalter Schauer.
    ***
    Zamorra sah sich um.
    Der Dämon war verschwunden – und mit ihm die silberne Aura, die die Pyramide in der Wüste umgeben hatte. Dies war nicht mehr der Eingang in eine andere Dimension, dies waren nur noch tote Steinquader, die grau und matt im Mondlicht schimmerten. Der Dämon hatte das Tor zugeschlagen, hatte die Macht der Hölle mobilisiert, um die Lücke in der Zeitschranke unwiderruflich zu schließen – und Zamorra gab sich keine Sekunde lang der Illusion hin, daß es ihm gelingen könne, den Weg wieder zu öffnen.
    »Und jetzt?« fragte Nicole neben ihm leise.
    Der Professor preßte die Lippen aufeinander.
    Seine Gedanken wirbelten. Für einen Moment drohte das Bewußtsein der Ausweglosigkeit ihn zu überwältigen – dann riß er sich zusammen. Es mußte einen Ausweg geben. Für Nicole und Bill, für ihn selbst – und für Alban, den treuen Freund aus dem Reich der Toten.
    Mit einer unwillkürlichen Bewegung tastete Zamorra nach dem Amulett an seiner Brust, und zum ersten Mal seit langer Zeit hatte er den Eindruck, als besitze das Metall des Talismans wieder eine Spur von Leben.
    Er runzelte die Stirn.
    Nein, er täuschte sich nicht: ganz schwach strahlte das Silber Wärme ab. Aber woran lag das? Hier, in dieser Zeit, war Leonardo de Montagne der rechtmäßige Träger des Amuletts. Er allein gebot über die Macht des Talismans, und Zamorras Exemplar hatte sich als wirkungsloses Abbild erwiesen. Gewann es jetzt einen Teil seiner Kraft zurück, weil sich Leonardo weit von diesem Ort entfernt hatte? Oder war das Amulett sogar in der Lage, den Weg zu Leonardo zu weisen, weil es auf geheimnisvolle Art zu seinem Urbild, seinem Gegenstück strebte? Der Professor wußte es nicht – aber er ahnte, daß diese Möglichkeit für sie alle die einzige Chance war.
    »Zamorra!« sagte Bill drängend. »Wir müssen etwas tun! Wir stecken hier mitten in der Wüste, wir haben kein Wasser und keinerlei Hilfsmittel. Ganz davon abgesehen, daß es ohnehin
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