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0051 - Das Schiff der toten Seelen

0051 - Das Schiff der toten Seelen

Titel: 0051 - Das Schiff der toten Seelen
Autoren: Susanne Wiemer
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der Dunkelheit entrissen wurden. Braunhäutige Männer, abenteuerlich kostümiert, mit Dolchen und Krummsäbeln in den sehnigen Fäusten. Einer von ihnen schleuderte eine Fackel, hoch oben von der Spitze eines Felsens; sie beschrieb einen Bogen und schlug neben Leonardo in den Staub. Sein Pferd bäumte sich und stieg wiehernd hoch. Mit eiserner Faust bändigte er den Schimmel und noch während er das Schwert aus der Scheide riß, sah er die Bewegung des Angreifers, der sich mit hochgeschwungenem Krummsäbel von dem Felsen herabschnellte.
    Leonardos Herz krampfte sich zusammen.
    »Alphart!« schrie er warnend – doch schon war es zu spät.
    Wie eine Katze sprang der Pirat den Kreuzfahrer an, riß ihn aus dem Sattel, stieß ihm noch im Sturz die Klinge durch die Brünnenringe in die Kehle. Leonardos Schwert pfiff, ein Kopf rollte in den Staub. Ringsum gellten Schreie, klirrten Waffen, war wildes Chaos – doch für Leonardo de Montagne schien die ganze Welt für eine endlose Sekunde nur aus dem Bild seines toten Freundes zu bestehen.
    »Alphart«, flüsterte er erstickt. »Alphart, du…«
    Etwas traf seinen Rücken.
    Schmerz durchzuckte ihn, er wurde nach vorn geschleudert. Gestalten sprangen ihn an, blitzartig und lautlos. Noch einmal hieb er mit dem Schwert zu, spaltete einem der Angreifer den Schädel, dann riß ihm ein Hieb mit der flachen Klinge die Waffe aus der Hand. Der Schimmel brach aus. Jäh warf der Ruck den Reiter aus dem Sattel. Leonardo stürzte schwer zu Boden, wie eine Flut kam der Angriff über ihn, und für einen Moment versank sein Bewußtsein in wirbelnder, bodenloser Schwärze.
    Als er wieder zu sich kam, wurde er über den Hang geschleift, an Händen und Füßen gebunden.
    Hinter ihm dröhnte Schlachtlärm – weit entfernt, zu fern und zu leise, als daß es Philipp Chalon und die Lothringer sein konnten. Mit verzweifelter Klarheit begriff Leonardo, daß die Piraten Gaspard Navarre und die Reste des Heeres angriffen, daß er selbst gefangen war und Alphart tot – und für einen Moment schloß er in dumpfer, grenzenloser Verzweiflung die Augen.
    Das Schwert des Feuers…
    Warum war es nicht an seiner Seite gewesen? Warum hatte es ihm nicht geholfen, die Ungläubigen zu besiegen? Warum…
    Da war es wieder – jener unbekannte Einfluß, jene blitzhaften Erinnerungen, die nicht die seinen waren und mit ihm, Leonardo de Montagne, nicht das geringste zu tun hatten. Was war es, das da in ihm bohrte, nach Befreiung drängte? Was…
    Die Gedankenkette zerklirrte.
    Hart schlug sein Kopf gegen einen Stein, die Explosion des Schmerzes schien seinen Schädel zu sprengen. Erneut taumelte sein Bewußtsein in den Abgrund der Schwärze, und diesmal sollte es länger dauern, bis er wieder erwachte.
    Er spürte nicht, wie er an Bord des Piratenschiffs mit den anderen Gefangenen auf die Decksplanken geworfen wurde.
    Er hörte nichts von dem verzweifelten Kampf in den Hügeln. Er war immer noch ohnmächtig, als der Rest des Kreuzfahrerheeres verzweifelt zurück in die Wüste floh, und er merkte auch nicht, wie das Schiff die Segel setzte und ablegte.
    Irgendwann kam er wieder zu sich, spürte die Fesseln, sah die Sterne am Nachthimmel funkeln.
    Aber da hatten die Piraten längst die Felseninsel erreicht, die ihnen als Schlupfwinkel diente…
    ***
    Zamorra öffnete die Augen.
    Mit einem tiefen Atemzug schüttelte er die Trance ab. Sein Blick wanderte zu Nicole und Bill, die auf den Steinquadern der Pyramide kauerten, und er lächelte leicht.
    »Die Kreuzfahrer haben das Meer erreicht«, erklärte er ruhig. »Sie stießen auf Piraten. Der Rest des Heeres wurde zurückgeschlagen, und Leonardo – oder besser Alban – ist mit einem Spähtrupp in Gefangenschaft geraten.«
    Für einen Moment blieb es still.
    Nicole biß sich auf die Lippen. Bill Fleming runzelte skeptisch die Stirn – aber er hatte in den letzten Tagen und Stunden soviel erlebt, daß ihn Zamorras Trance und die hellseherische Demonstration kaum noch aus der Fassung bringen konnten.
    »Und wo in Gefangenschaft?« fragte er knapp.
    »Auf einer Insel, Bill. Einer kleinen Felseninsel in der Nähe der Küste. Wir müssen dorthin.«
    »Also diverse Meilen durch die Wüste und dann noch über das Meer«, sagte Bill sachlich. »Piraten – das ist genau das, was uns noch gefehlt hat.« Er machte eine Pause, und für einen Moment erschien auf seinem Gesicht wieder der Ausdruck fassungslosen Staunens – die Ratlosigkeit des Wissenschaftlers gegenüber einem
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