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0051 - Das Schiff der toten Seelen

0051 - Das Schiff der toten Seelen

Titel: 0051 - Das Schiff der toten Seelen
Autoren: Susanne Wiemer
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keine schönen Aussichten sind, bis zum Ende unserer Tage im Mittelalter herumzuirren.«
    Der Professor nickte nur.
    »Wir müssen Alban de Bayard finden«, sagte er ruhig. »Er ist ein Wesen aus dem Zwischenreich, er kennt die Wege von einer Dimension in die andere. Ohne ihn werden wir es nie schaffen, in die Gegenwart zurückzukehren.«
    »Gegenwart! Verdammt, ich fange schon langsam an, die Zeit der Kreuzzüge als Gegenwart ganz normal zu finden!« Bill Fleming atmete tief durch und rieb sich über die Stirn, als müsse er etwas wegwischen. »Und wo, zum Teufel, sollen wir diesen Alban suchen?«
    »Bei den Kreuzfahrern! Der Dämon hat Albans Geist in den Körper Leonardo de Montagnes verbannt, wie du gehört hast.«
    »Gehört, aber nicht begriffen«, knurrte Bill zornig. »Und wieso glaubst du, daß Bayard uns helfen kann, wenn er doch in Leonardos Körper verbannt ist? Willst du den Schrecklichen mit ins zwanzigste Jahrhundert nehmen, oder wie?«
    »Notfalls ja«, sagte Zamorra trocken. »Aber ich hoffe, daß es irgendeine Möglichkeit gibt, ihn zu befreien, ihn von Leonardos Körper zu trennen…«
    »Und was würde das für den Dämon bedeuten?« fragte Nicole rasch.
    »Du hast den springenden Punkt erfaßt. Der Dämon wurde von dem Fluch des Kalifen am Leben erhalten, bis wir diesen Fluch auslöschten. Danach hätte der böse Geist wieder zu einem Teil von Leonardos Seele werden müssen, aber er verbannte statt dessen Alban de Bayard in den Körper des Schrecklichen. Gelingt es uns, Alban zu befreien, wird der Dämon den Platz unseres Freundes einnehmen müssen. Und dann ist er endgültig vernichtet.«
    »Verdammt kompliziert«, knurrte Bill verbissen.
    »Nicht wenn man sich ein wenig in der Materie auskennt.« Zamorra lächelte matt. »Selbst die Dämonologie hat gewisse Gesetze. Aber für uns geht es im Moment vor allem um das Problem, Leonardo und das Kreuzritterheer erst einmal zu finden.«
    »In der Tat ein Problem! Haben wir überhaupt den Schimmer einer Chance?«
    »Vielleicht mit dem Amulett.« Zamorra zögerte, kniff die Augen zusammen. »Es kann in dieser Zeit seine Kraft nicht voll entfalten, da Leonardo der rechtmäßige Träger des Talismans ist. Aber immerhin existieren zwei Exemplare, und möglicherweise gibt es eine magische Verbindung zwischen ihnen. Genau wie es möglich sein sollte, eine telepathische Verbindung zu Leonardo beziehungsweise Alban de Bayard herzustellen. Ich werde versuchen, ihn in Trance zu orten…«
    »Ihn«, wiederholte Nicole nachdenklich. »Aber wer ist er denn nun überhaupt? Alban – oder Leonardo?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht weiß er es selbst nicht. Wir werden es erfahren…«
    Der Professor hatte sich abgewandt.
    Er stand ruhig da, umschloß das silberne Amulett mit der Rechten.
    Mit geschlossenen Augen lauschte er in sich hinein. Ihm, dem hypersensiblen Parapsychologen, fiel es nicht schwer, sich selbst in den Zustand der Tiefenhypnose zu versetzen. Seine Gedanken sammelten sich, konzentrierten sich auf das Amulett, auf jenen anderen, in eine Art Doppelwesen verwandelten Menschen, der das Urbild des Talismans um den Hals trug, und er spürte förmlich, wie sein Geist die Fesseln abstreifte, die Pyramide in der Wüste verließ und dem Sog folgte, den er wie einen schwachen Ruf empfangen hatte.
    Zamorra sah…
    Das Meer tauchte auf.
    Wind fächelte, da waren dunkle Hügel, da war Bewegung schattenhafter Gestalten. Waffen klirrten, ein Pferd wieherte. Männer in staubigen, blutbedeckten Rüstungen schwankten vorwärts, unter den fernen, funkelnden Sternen bewegte sich ein trauriger, geschlagener Zug dahin – und Zamorra sah das alles so klar und deutlich, als stehe er daneben.
    Mit einem tiefen Atemzug blieb Leonardo de Montagne stehen.
    Seine Rechte verkrampfte sich am Zügel des Pferdes, das er über den Hügel geführt hatte. Für einen Moment vergaß er, was ihn bedrängte, vergaß dieses seltsame Gefühl der Zerrissenheit, der Furcht vor dem fremden Einfluß in seinem Innern. Schwarz dehnte sich das Meer vor seinen Augen, spiegelte zerfließende Sternbilder, und die Kämme der Kräuselwellen glitzerten im Mondlicht. Ein kühler, sanfter Wind wehte, die Luft war feucht und frisch. Die Wüste schien zu versinken – und die schwankenden, sonnenverbrannten, von Durst gepeinigten Männer in ihren staubigen Rüstungen schöpften wieder Hoffnung.
    Leonardo wandte den Kopf und begegnete Alpharts Blick. Alphart, der sein Freund war, sein Blutsbruder, und der
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