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0050 - Der Stein des Satans

0050 - Der Stein des Satans

Titel: 0050 - Der Stein des Satans
Autoren: Susanne Wiemer
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unvermittelt von zwei waffenklirrenden Arabern gepackt und ein Stück zur Seite gezerrt wurde.
    Bill passierte das gleiche. Zamorra sah es aus den Augenwinkeln – aber er wusste, dass er jetzt nicht die geringste Chance hatte, etwas zu unternehmen. Unmerklich verzögerte er seinen Schritt, bis er sicher war, dass seine Freunde lediglich festgehalten wurden, dann betrat er langsam den großen, marmorglänzenden Saal, dessen Tore sich vor ihm geöffnet hatten.
    Schlanke Säulen, Wände in Grün und Gold, ein schillernder Mosaikboden, auf dem sich geheimnisvolle Zeichen und Symbole um das Zentrum eines vielzackigen Sterns gruppierten. Zwischen zwei Reihen turbangeschmückter Standartenträger ragte ein kostbarer Thronsessel empor – und darauf saß zurückgelehnt ein großer, hagerer Mann, dessen weißes, lediglich mit einer einfachen grünen Schärpe gegürtetes Gewand in seiner Schlichtheit beinahe wie ein Fremdkörper in dieser Umgebung wirkte.
    Achman…
    Der Kalif, der seit Jahr und Tag gegen die fremden Eindringlinge kämpfte. Der sich immer noch gewehrt hatte, als seine Söhne längst dem neuen Reich der Kreuzfahrer tributpflichtig geworden waren, und dem es bestimmt war, das Heer des Raymond Navarre vernichtend zu schlagen.
    Er saß ruhig da. Das schmale Gesicht wirkte wie aus dunklem Holz geschnitzt, die harten schwarzen Augen erinnerten an polierte Onyxe. Sein Blick glitt über Zamorras Gestalt, über die europäische Kleidung, die ihm fremdartig erscheinen musste, und als er sprach, bediente er sich des altertümlichen Französisch, das der Professor von seinem Studium der alten Chroniken her kannte.
    »Ein Magier seist du, sagten mir meine Krieger?«, begann er. Seine Augen funkelten dabei – ein waches, spöttisches Funkeln, das eine verblüffend skeptische Geisteshaltung verriet. »Nun – viele Magier und Priester kamen in mein Land, und immer kamen sie mit Feuer und Schwertern. Hast du dich verkleidet, um uns zu verwirren? Willst du uns den Glauben der Kreuzritter mit Gauklerstücken lehren, Fremder?«
    Der Gefangene erwiderte den Blick.
    Einen prüfenden Blick, scharf wie die Klinge eines Damaszenerschwertes…
    Zamorra wusste, dass er diesen hageren, scharfgesichtigen Mann dort nicht mit bloßen Worten würde überzeugen können – aber er hatte keine andere Wahl, als es zu versuchen.
    »Nicht Gauklerstücke«, sagte er ruhig. »Meine Kraft wurzelt nicht in Blendwerk, und ich komme nicht aus dieser Welt und dieser Zeit. Seht ihr das Amulett, das ich trage, Achman? Ihr kennt seine Macht. Ihr gabt es Leonardo…«
    Das Gesicht des Kalifen verfinsterte sich.
    »Ich gab es Leonardo, aber ich kenne wenig von seiner Macht«, sagte er langsam. »Nur Unheil brachte es uns. Eine große Gefahr liegt darin, die frevlerische Verführung, dem Willen Allahs und dem Schicksal in den Arm zu fallen. Des Menschen Bestimmung aber ist es, das Schicksal zu erfüllen. Kismet…«
    »Auch Leonardo brachte es Unheil«, sagte Zamorra ruhig. »Auch ihn verführte es, einer höheren Macht in den Arm zu fallen. Und zu altem Unheil kam neues, als er den ›Stern des Morgenlandes‹ raubte. Lasst uns ziehen, Kalif Achman! Unser Ziel ist es, euch den Stein zurückzubringen.«
    Der Herrscher furchte die Stirn.
    »Warum?«, fragte er langsam und hart.
    »Damit nicht noch mehr Unheil geschieht! Damit der ›Stern des Morgenlandes‹ bleibt, wozu er bestimmt ist. Und damit kein Fluch auf dem Frieden lastet, der kommen wird.«
    »Und du glaubst, du kannst über Leonardo und seine Gefolgsleute siegen?«
    »Ich werde ihn besiegen. Ich weiß es.«
    Achman lächelte. Aber es war ein Lächeln voll tödlicher Sanftheit.
    »Beweise es«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme. »Wenn du ein Magier bist, hast du die Macht, auch andere als Leonardo de Montagne zu schlagen. Beweise es! Versuche dich an meinen schwarzen Panthern, Fremder…«
    ***
    Dumpf dröhnten die Trommeln in dem langen, finsteren Gang, durch den Zamorra geführt wurde.
    Fackeln steckten in silbernen Halterungen an der Wand, ihr Schein zuckte gespenstisch über weiße, kahle Wände. Hier unten war es kühl – eine dumpfe, modrige Grabeskühle. Zamorra war an Verliesen vorbeigekommen, an Menschen in Ketten, deren Schreie ihm noch in den Ohren gellten. Jetzt verstärkte sich vor ihm das dumpfe, hämmernde Stakkato, und er schloss daraus, dass er sich dem Ursprung des unheimlichen Trommelwirbels näherte.
    Vier Krieger mit gesenkten Lanzen gingen hinter ihm.
    Nur vier – aber er
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