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0046 - Die Dämonenschmiede

0046 - Die Dämonenschmiede

Titel: 0046 - Die Dämonenschmiede
Autoren: Richard Wunderer
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Himmel war absolut wolkenfrei. Es war, als würde das Licht von der Erde geschluckt und nicht wieder freigegeben.
    Bill nahm den Fuß vom Gaspedal. »Ich kann fast nichts mehr sehen«, sagte er leise.
    Der Wagen verlor rasch an Geschwindigkeit, und das rettete uns das Leben.
    Denn plötzlich war die Straße verschwunden. Vor uns brodelte ein dampfender, Blasen werfender Sumpf.
    Mit einem Aufschrei trat Bill voll auf die Bremse.
    Der Abgrund schoß auf uns zu.
    ***
    In den offiziellen Listen der Polizei war vermerkt, daß Ranverness einen Polizeiposten besaß. Das stimmte auch, doch man mußte diesen Posten kennenlernen.
    Er war nur von zwei Personen besetzt. Einem Polizisten, nämlich Constabler Ryan Rattroch, und dessen Ehefrau, an die sich die Leute wandten, wenn ihr Mann unterwegs war.
    Der Leichenfund überstieg die Kompetenzen des Constablers. Er mußte ihn seiner vorgesetzten Dienststelle melden, doch diese unternahm nichts, weil der Yard sein Eingreifen angekündigt hatte.
    Also mußte sich Rattroch doch um die Tote kümmern.
    Da es im Moment Schulferien gab, bot sich das Schulhaus zur Unterbringung der Toten an. »Schulhaus« war, genauso wie »Polizeiposten«, eine maßlose Übertreibung. Die Lehrerin des Ortes bewohnte ein kleines Natursteinhaus. In einem Anbau unterrichtete sie. Dorthin wurde die alte Ethel geschafft.
    Alle im Dorf hatten sie gekannt. Seit sechzig Jahren gehörte sie zu dieser Gegend. Daher wollten alle noch einmal die Tote sehen, doch Constabler Rattroch blieb hart.
    »Es darf nichts verändert werden«, schnarrte er und warf sich in die Brust.
    Auf die Argumente, daß ein kurzer Blick auf die Tote ja nichts veränderte, ging er nicht ein. Erst als seine Frau ein Machtwort sprach, durften die Dorfbewohner Abschied von der alten Kräutersammlerin nehmen. Rattroch blieb jedoch die ganze Zeit neben der Toten stehen.
    Allerdings mußte auch er sich einmal zurückziehen, und so verschloß er abends das Schulhaus und kehrte in sein eigenes Haus zurück. Niemand wäre auf die Idee gekommen, daß etwas mit der alten Ethel passieren könnte.
    Die Dorfbewohner wunderten sich nur, daß es an diesem Abend früher dunkel wurde als sonst. Da aber niemand mehr sein Haus verließ, fiel es auch niemandem auf, daß über dem Wald ein geisterhaftes Leuchten erschien, als würde dort in einer gigantischen Schmiede ein wahres Höllenfeuer brennen.
    Gegen neun Uhr abends erreichte der Feuerschein über dem Wald seinen vorläufigen Höhepunkt.
    In diesem Moment glitt das weiße Laken zu Boden, mit dem die Tote zugedeckt war. Die Augen der alten Ethel waren weit aufgerissen, als sie sich ganz langsam aufrichtete und von der Holzbank stieg, auf die man ihre Leiche gelegt hatte.
    Das Gesicht blieb eine wächserne Maske, als sie das einzige Fenster öffnete und ins Freie kletterte. Wie ein Automat bewegte sie sich vom Dorf weg auf den nahen Wald zu.
    Wenige Minuten später hatte sie die Dunkelheit unter den mächtigen Bäumen verschluckt, ohne daß ein Dorfbewohner auch nur etwas davon ahnte.
    Mit einer Ausnahme!
    ***
    Die Reifen des Leihwagens kreischten auf dem Asphalt, als der Wagen schlitternd und schleudernd zum Stehen kam. Keine Handbreit trennte uns von dem Sumpf, der sich auf unerklärliche Weise vor uns geöffnet hatte.
    »Mein Gott«, flüsterte Bill fassungslos.
    Seine gedankenschnelle Reaktion hatte uns das Leben gerettet.
    »Raus aus dem Wagen!« zischte ich und stieß die Seitentür auf.
    Bevor ich jedoch ausstieg, griff ich nach hinten. Auf den Rücksitzen lag mein Spezialkoffer, in dem ich meine wichtigsten Waffen gegen das Böse mit mir führte. Ohne den Koffer hätte ich den Wagen nicht einmal verlassen, wenn er abgestürzt wäre.
    Bill stand schon auf der Straße und lief ein Stück zurück, als ich ins Freie kletterte. Dicht vor mir gluckerte und gluckste das Moor.
    Schaudernd rannte ich zu Bill und drehte mich um. Gebannt beobachteten wir den auf unnatürliche Weise entstandenen Sumpf.
    Erst als er sich nicht mehr ausdehnte, wagten wir uns näher heran. Unser Wagen stand noch auf festem Boden, aber die Kühlerhaube ragte bereits über den Abgrund hinaus. Es ging ungefähr vier oder fünf Meter in die Tiefe. Über der schleimigen, braunen Masse brodelten nach Pech und Schwefel stinkende Dämpfe, die uns fast den Atem raubten.
    »Dieses Moor war doch vorhin noch nicht da, oder irre ich mich?« fragte Bill zweifelnd.
    »Du irrst dich nicht«, antwortete ich grimmig. »Unsere Gegner versuchen, uns
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