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0039 - Turm der Verlorenen

0039 - Turm der Verlorenen

Titel: 0039 - Turm der Verlorenen
Autoren: Michael Kubiak
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einen Blutstrom daraus hervorpulsen zu sehen. Doch die Hand war unversehrt, die Haut weiß und glatt. Nur der Schmerz schien den ganzen rechten Arm mit unendlicher Glut zu verzehren.
    Zamorra musste einen Aufschrei unterdrücken. Da fiel ihm ein, dass er ja zurzeit allein im Schloss war. Nicole besuchte ihre Eltern, und Rafael Bois, sein guter Hausgeist, hatte zwei Wochen Urlaub.
    Auf eine Urlaubsvertretung hatte Zamorra sich nicht einlassen wollen. Ehe er einen Fremden in seinem Schloss, dem Stammsitz seiner Vorväter, schalten und walten ließ, spielte er lieber selbst den Strohwitwer und Hausmann.
    Zamorra versuchte, ganz aufzustehen. Schwankend stand er da. Er musste sich an der Wand abstützen, sonst wäre er gestürzt. Sein Herz raste, und Zamorra keuchte wie ein Marathonläufer nach dem Wettkampf. Die Knie zitterten, und er fühlte sich wie ein Hochleistungssportler am Rande der Erschöpfung.
    Zamorra schaute sich in dem Zimmer um. Er suchte etwas, doch wusste er nicht was. Er setzte sich mit unsicheren Schritten in Bewegung. Er erreichte die Tür und riss sie auf, als erwarte er einen Lauscher vor der Tür zu überraschen. Doch der Gang lag leer und dunkel vor ihm.
    Mit fahrigen Bewegungen tastete seine Hand über die Wand links der Tür und suchte nach dem Schalter für die Gangbeleuchtung. Er fand ihn und legte ihn um.
    Die warme Deckenbeleuchtung ließ alles in einem freundlicheren Licht erscheinen. Doch Zamorra hatte kein Auge dafür.
    Sein Geist war in Aufruhr. Auch ließ ihn der rasende Schmerz in seiner rechten Hand keinen klaren Gedanken fassen. War es wirklich nur ein Traum gewesen? Zamorra überzeugte sich erneut, dass seine Hand unverletzt war. Er wollte es nicht glauben.
    Krampfhaft versuchte er sich den Traum ins Gedächtnis zurückzurufen. Wo hatte die schreckliche Szene stattgefunden, wo hatte Mordius ihn gestellt?
    In der Bibliothek! Unwillkürlich lenkte er seine müden Schritte in diese Richtung. Vor der Tür zu dem Raum verharrte er. Er legte die Hand auf die Klinke, wagte aber nicht, die Tür zu öffnen. Er rechnete damit, etwas Unglaubliches zu erblicken.
    Er riss sich zusammen, versuchte sich über sich selbst lustig zu machen und öffnete die Tür.
    Das Licht in der Bibliothek brannte. Dabei wusste er genau, dass er es am Abend, bevor er ins Bett gegangen war, ausgeschaltet hatte.
    Oder sollte er sich irren?
    Zögernd betrat er das Zimmer mit den Bücherwänden. Er ließ seinen Blick über die endlosen Reihen von Buchrücken wandern, über die gediegenen Möbel, den wertvollen Teppich bis hin zu der einzigen freien Wand, die von einer antiken Weltkarte geschmückt wurde.
    Und hier überfiel ihn das Grauen in voller Stärke.
    Mitten auf der Karte gewahrte er einen roten Fleck.
    Er brauchte gar nicht näher an die Karte heranzugehen, um sich zu überzeugen, dass er mit seiner Vermutung richtig lag.
    Es war Blut! Und instinktiv wusste er auch, dass es sein Blut war.
    Doch das war noch nicht alles. Mitten im Zentrum des Blutfleckes blitzte ein Lichtreflex auf. Er stammte von einem metallenen Gegenstand. Es war der Dolch, den Mordius ihm im Traum durch die Hand gejagt hatte!
    Zamorra stolperte auf die Wandkarte zu, bis er fast mit dem Kopf dagegen stieß.
    Seine linke Hand umklammerte den Dolchgriff. Mit einem leisen Aufschrei zog Zamorra die Hand zurück. Der Dolchgriff war siedendheiß! Also hatte er wohl doch nicht geträumt. Aber was hatte das alles zu bedeuten?
    Ein dröhnendes Gelächter von draußen schreckte ihn hoch. Er stürzte zum Fenster, riss es auf und starrte hinunter in den Burghof, der im fahlen Licht des Mondes still und wie tot dalag.
    Doch ein riesiger Schatten zeichnete sich auf dem Pflaster ab. Es war ein deutlich erkennbarer Schattenriss, und Zamorra identifizierte ihn sofort.
    Es war der Schatten von Mordius, dem Untoten!
    Zamorra zog sich vom Fenster zurück und jagte aus dem Zimmer hinaus auf den Gang. Er stürmte über den weichen Teppich bis zu der Tür, die auf den Wehrgang führte. Nackt wie er war trat er hinaus auf die Zinne und blickte sich gehetzt um.
    Wieder erscholl das spöttische Gelächter. Es kam von oben. Zamorra legte den Kopf in den Nacken, um die Mauern über sich abzusuchen. Und da sah er ihn.
    Wie ein Raubvogel auf der Jagd hockte der wahnsinnige Wissenschaftler dort oben auf dem First und schien sich köstlich über Zamorras Ratlosigkeit zu amüsieren. Neben dem Ungeheuer hockten noch zwei andere Wesen, deren Aussehen und Herkunft Zamorra sich
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