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0009 - Der Hexenmeister

0009 - Der Hexenmeister

Titel: 0009 - Der Hexenmeister
Autoren: Gerhart Hartsch
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sie. Und verteufelt hübsch. Bestimmt übte sie eine starke magische Wirkung auf Männer aus. Aber anders, als die Dorfbewohner es meinten. Und wahrscheinlich steckten die Frauen von Pelote dahinter, daß dieses hübsche Geschöpf verteufelt worden war. Weibliche Wesen kannten da kein Erbarmen und schafften sich jede Konkurrenz mit allen Mitteln vom Halse.
    Zum erstenmal in seinem Leben hatte Romain Lassus, der Playboy, das Gefühl, es habe ihn heftig erwischt. Er spürte den Wunsch, Odile Blanche für immer an seiner Seite zu haben. Ihre Vergangenheit interessierte ihn nicht. Mochte sie ihre kleinen Geheimnisse für sich behalten, wenn sie ihm die seinen ließ.
    Romain Lassus schüttelte den Kopf.
    Odile Blanche schien das ganze Unternehmen, das ihn mehr an den Schulausflug längst vergangener Zeiten erinnerte, überaus ernst zu nehmen. Sie schien zu glauben, daß hinter jeder Biegung Knochenmänner mit geschwungenen Sensen lauerten.
    Brav trottete Romain Lassus hinterher, entdeckte nichts Außergewöhnliches, wenn man davon absah, daß der Gang immer tiefer in die Felsen führte. Das waren eben Fluchtwege, die sich jeder kluge Baumeister in der damaligen Zeit ersonnen hatte. Seine Auftraggeber führten ein gefährliches Leben. Sie waren zahlreichen Gefahren ausgesetzt, besaßen mächtige Feinde, die nicht immer zimperlich waren in der Wahl ihrer Mittel. Das bewies noch gar nichts, daß es hier einen Geheimgang gab, der in den Berg führte.
    Schließlich verbreiterte sich das Ganze. Die Seiten und die Decke traten zurück.
    Und plötzlich blieb Odile Blanche stehen. Sie zitterte am ganzen Körper.
    Aus der Tiefe drang eintöniger Singsang, ein Choral der Mysterienbrüder. Totenglocken läuteten.
    »Zamorra ist gescheitert«, flüsterte Odile Blanche erschüttert. »Laß uns fliehen, ehe es zu spät ist, Romain.«
    »Unsinn!« erwiderte Lassus ärgerlich. »Bin ich so weit gelaufen, nur um beim ersten Zwischenfall Fersengeld zu geben? Jetzt will ich deine berüchtigten Gespenster mit eigenen Augen sehen!«
    Romain Lassus übernahm entschlossen die Führung.
    Odile Blanche schien wie verwandelt. Schweiß stand auf ihrer hübschen Stirn. Die Zähne schlugen aufeinander. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Die Schrecken und Qualen vergangener Erlebnisse erwachten aus der Erinnerung, ließen sich nicht länger verdrängen.
    Vor einer schweren schmiedeeisernen Tür blieben sie stehen.
    Verwundert starrte Lassus auf die seltsamen Figuren, die Szenen aus dem Ritual der Mysterienbrüder zeigten. Ein Abt hielt eine Schüssel hoch, in der ein Menschenkopf lag. Er zeigte ihn der verzückten Gemeinde.
    Lassus schüttelte verwirrt den Kopf.
    Ein merkwürdiges Gefühl warnte ihn, weiter vorzudringen. Wer einen solchen Wahnsinn darstellte, der brachte es auch fertig, so zu handeln. War doch etwas Wahres an der Erzählung von Odile Blanche? Gab es diese Kuttenträger etwa wirklich? Lauerte hinter dieser Tür Manasse?
    Langsam, wie von einer unwiderstehlichen Gewalt angezogen, streckte Lassus die Hand aus, ergriff die schwere bronzene Klinke.
    Er handelte wie ein Automat, keiner klaren eigenen Überlegung mehr fähig. Da war etwas, was ihm befahl, weiterzugehen.
    Lassus brauchte seine ganze Kraft, um diese Pforte aufzustoßen.
    Er trat ein und stand im Kultraum der Häretiker. Und sah auf einem schwarzen Basaltblock Nicole Duval liegen.
    Neben ihr stand hoch aufgerichtet Manasse, ein grinsendes Skelett in einer erdbraunen Kutte.
    Eine weiße Schlange ringelte sich durch die morschen Rippen, turnte bis in den Schädel des Gespenstes und richtete sich dort häuslich ein. Und Manasse wandte langsam den Kopf, der auf den skelettierten Wirbeln thronte.
    Es schien, als verzögen sich blanke Knochen zu einem höhnischen Grinsen. Manasse schlug das Totenbuch auf, um einen der Zaubersprüche zu rezitieren, die darin aufgeschrieben waren.
    Professor Zamorra kniete am Boden, die rechte Hand an der Brust.
    Seine Faust krampfte sich um sein Amulett. Warum bereitete er dem unerträglichen Spuk nicht endlich ein Ende?
    Manasse bewegte stumm die leere Mundhöhle. Auf seinen Kieferknochen lag ein grünlicher Schimmer.
    Der Unheimliche streckte gebieterisch die Knochenhand aus.
    Da fühlte Lassus, daß er von den Knien her abstarb. Er wollte seine Hand nach Odile Blanche ausstrecken und spürte, daß er keine Kraft mehr dafür hatte. Er war paralysiert. Ein dämonischer Wille triumphierte über ihn. Er war nicht mehr Herr seiner selbst.
    Und er
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