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0009 - Der Hexenmeister

0009 - Der Hexenmeister

Titel: 0009 - Der Hexenmeister
Autoren: Gerhart Hartsch
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Verzweifelns, hörte er aus der Höhe Geräusche. Metallhaken klirrten.
    Männerstimmen erklangen. Man konnte sich zunächst nicht über die rechte Art des Vorgehens einigen. Dann ließen sie den ersten Helfer herunter.
    Der Eingeschlossene verständigte sich mit dem Mann.
    »Sagen Sie Bescheid, sobald Erde nachrutscht«, warnte der Unbekannte. »Wir wollen Sie schließlich heil hier herausbringen.«
    Ständig sprach der Retter mit dem Verschütteten, erklärte ihm jeden Handgriff. Dabei räumte er den Schutt zur Seite. Er warf ihn in einen Eimer und ließ ihn hinaufziehen. Das dauerte lange. Größere Steinbrocken wurden angeseilt. Fieberhaft arbeitete die Rettungskolonne, aber so sehr sie sich auch beeilte, Lassus dauerte es immer noch zu lange.
    Der Eingeschlossene gierte nach frischer Luft, nach einem einzigen Schimmer Sonnenschein. Er hätte zehn Jahre seines Lebens bedenkenlos geopfert, um diese furchtbare Zeit des Wartens zu verkürzen, diese Minuten vor der Rettung aus höchster Not.
    Endlich klaffte die erste Lücke. Mattes Licht fiel herab in das enge Gefängnis, in dem Romain Lassus mit angezogenen Beinen kauerte wie ein Kind im Mutterleib. Sein Gesicht war verdreckt, seine Augen entzündet. Das Haar hing ihm wirr in die Stirn. Und doch lächelte er überglücklich.
    Mit einiger Mühe brachte Lassus seine Hand durch die Lücke. Er packte die Rechte seines Retters und drückte sie heftig und stumm.
    Romain Lassus blickte in das breite, gutmütige Bauerngesicht Vincent Valadins, des Bürgermeisters von Pelote.
    Lassus wollte erklären, wie er in diese verzweifelte Lage geraten war, aber Valadin brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
    »Darüber unterhalten wir uns später – bei einem Gläschen Roten«, vertröstete der Bürgermeister den Aufgeregten. »Erst wollen wir Sie ans Tageslicht bringen. Alles andere hat Zeit.«
    Valadin schob ein starkes Hanfseil durch die Bresche.
    »Können Sie sich anseilen?« fragte er.
    »Ich will es versuchen«, erwiderte Romain Lassus.
    Mühsam brachte er den Strick um die Brust. Er warf einfach den Körper hin und her, gewann so einen winzigen Spielraum. Manchmal knackte und knirschte der Balken bedenklich, der die ganze Last des Schutts trug. Sand rieselte nach.
    Dann legte Lassus jedesmal eine schreckerfüllte Pause ein, lauschte auf jedes Geräusch und hoffte zitternd, daß die Strebe nur noch kurze Zeit aushalten möge.
    Endlich schaffte es der Pilot.
    Mit bebenden Fingern verknotete er das Tau vor der Brust. Er hatte es unter beiden Armen durchgeführt und hing jetzt in der Schlinge.
    »Wir entfernen jetzt den Balken«, kündigte Vincent Valadin mit fester Stimme an. Er gab ein Zeichen nach oben, wo sich neugierige Gesichter über den Brunnenrand schoben.
    Langsam holten die Leute den Bürgermeister herauf.
    Romain Lassus durchlitt noch einige brenzlige Situationen, ehe er erschöpft, schmutzig und am Rande seiner Nervenkraft, gestützt von zwei Helfern, wieder auf festem Boden stand. Er bedankte sich überschwenglich. Dann schaute er sich suchend um.
    Die Stimme, die er als erste gehört hatte, nachdem er verschüttet worden war, ging ihm nicht aus dem Sinn.
    Odile Blanche gab sich zu erkennen.
    Romain Lassus umarmte sie stumm.
    »Wo ist dieser Kerl?« erkundigte sich der Pilot schließlich.
    »Armand ist verschwunden«, erklärte die rote Hexe.
    »Er hat das Dorf verlassen?« vergewisserte sich Lassus verblüfft.
    »Aber nicht so, wie Sie vielleicht glauben«, erwiderte Odile Blanche leise. »Er ist heimgekehrt zu Manasse, seinem Herrn und Meister.«
    Lassus lud die Helfer zu einem Umtrunk ein. Sie folgten ihm bereitwillig. Der Flieger führte sie zu Armands Gasthof. Er fand es nur natürlich, wenn Armand am Ende diese Zeche bezahlte.
    »Wo ist dieser Professor?« fragte Romain Lassus schließlich, als sie das erste Glas Rotwein geleert hatten.
    Der Schankraum war zum erstenmal seit Jahren überfüllt. Soviel Gäste hatte Armand nie gehabt, seit seine Verbindung zu Manasse vermutet worden war und ihn in der Dorfgemeinschaft isoliert hatte.
    Odile Blanche, die neben Lassus saß, sagte: »Professor Zamorra ist zur Ruine hinauf.«
    »Tod und Teufel!« fuhr der Pilot zurück. »Erst ängstigt sich alles vor dem alten Gemäuer und geht ihm aus dem Wege, jetzt setzt jeder seinen Ehrgeiz darein, einmal dort oben gewesen zu sein. Und was ist mit mir? Ich bin auch kein Feigling. Was der Professor schafft, bringe ich alle Tage!«
    Entschlossen leerte Romain Lassus
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