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0009 - Der Hexenmeister

0009 - Der Hexenmeister

Titel: 0009 - Der Hexenmeister
Autoren: Gerhart Hartsch
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Gefangene landete vor einem der toten Reiter auf einer Knochenmähre. In weit ausgreifendem Galopp, schwerelos, in Zeitlupe fast, überwand der Schinder die Entfernung, hielt direkt auf die Basilika zu, um im Reich der Schatten zu verschwinden und Manasse die Beute auszuliefern.
    Bill Fleming raste vor Zustimmung.
    Dann fand er Grund, sich zu ärgern. Er konnte erkennen, daß Zamorra keineswegs vernichtet worden war, sondern lebte und die rote Hexe rettete.
    Das war ein kalter Guß für den erregten Betrachter der Vorgänge, der sich auf seinem harten Lager hin und her warf wie ein Fiebernder. Schweiß stand auf seiner Stirn. Diese Art des Sehens strengte an. Sie zerrte unmittelbar an den letzten Reserven seelischer Kräfte, über die jeder Mensch nur begrenzt verfügt.
    Plötzlich sah Bill Fleming klar.
    Diesem Zamorra war schwer beizukommen. Der mußte mit den gleichen Finessen bekämpft werden, wie er sie gegen seine unheimlichen Gegner anwandte. Der Professor mußte überlistet werden!
    Der Amerikaner erkannte seine Aufgabe.
    Zamorra vertraute ihm, nannte ihn seinen Freund! In ihm konnte der Professor kaum einen Feind vermuten. Also mußte er, Bill Fleming, zu Zamorra gehen und ihn töten. Denn Manasses Sache war gerecht. Er mußte bestehen bleiben, um die Sünden der Väter an den Kindern zu rächen.
    Aus roten Nebeln tauchte Manasse auf und beugte sich grinsend über den hilflosen Amerikaner. Er berührte ihn mit seiner Knochenhand, die eine eisige Kälte ausströmte, an der Stirn, an den Schläfen und an der Halsschlagader. Er führte eine Reihe magischer Beschwörungen aus. Sie ließen das Blut wieder in Flemings Adern pulsieren.
    Verwirrt richtete sich der Amerikaner auf und blickte sich um. Er erkannte, wo er sich befand, aber er erschrak nicht mehr. Er fühlte sich in dieser unterirdischen Zuflucht wie zu Hause. Dies war seine Heimat. Er gehörte zu denen, die sich für die gerechte Sache opferten.
    »Befiehl, Manasse, Meister, ich höre!« murmelte der Amerikaner.
    Mit gekreuzten Armen betrachtete ihn der Seher.
    Manasse trug seine erdbraune Kutte. Eine gleichfarbene Kapuze bedeckte den kahlen, nackten Schädel.
    Umringt von seinen restlichen Getreuen, die einen Halbkreis hinter ihrem makabren Anführer bildeten, musterte Manasse seinen neuen Verbündeten, als wolle er ihn röntgen.
    Es fiel kein Wort.
    Aber Bill Fleming empfing wie aus einem überstarken Sender Befehle. Er verstand, was er tun sollte, und sagte: »Gebt mir eine Waffe. Ich werde ihn töten. Zamorra muß sterben, damit du existieren kannst, Manasse. Meister! Das ist Gerechtigkeit!«
    Manasse winkte.
    Willenlos folgte ihm der Amerikaner.
    Sie gingen einen schmalen Tunnel entlang, der in den Stein gehauen war. Hier und da gab es schweflige Ausblühungen in Nischen und Ecken. Es roch nach Moder und Grab, Fäulnis und Verwesung.
    Stetig fiel die Strecke ab, ehe sie kurvenreich wurde und langsam wieder auf ein höheres Niveau zurückgeführt wurde. Sie kamen an einen zweiten Ausgang, der weniger kompliziert angelegt war als der Zugang durch die Basilika.
    Hier tarnten ein Haufen Schutt und einige größere Felsbrocken geschickt einen schulterbreiten Spalt im Gestein.
    Manasse legte dem Amerikaner die Knochenhand auf die Schulter.
    Fleming erstarrte. Etwas von der Kälte des Untoten ging auf ihn über, machte ihn unempfindlich gegen jede Regung, löschte Mitleid aus, als habe es so etwas nie gegeben. Bill Fleming wurde zu einem Roboter, einer Mordmaschine, die nur ein Ziel kannte: Professor Zamorra zu beseitigen!
    Bill Fleming stellte keine Fragen, verriet nicht die leiseste Unsicherheit. Er wandte sich stumm ab und lief in einem ausdauernden Wolfstrab Richtung Pelote. Seine starren Augen waren auf die ersten Häusergiebel gerichtet, die er bemerkte. Wie von einem Leuchtturm wurde sein Kurs bestimmt – von dem Strohdach der Kate, in der sich die rote Hexe zusammen mit Zamorra aufhielt.
    Bill Fleming zwängte sich durch die Begrenzungshecke, achtete nicht auf Dornen und Ranken und durchquerte den verwilderten Hausgarten. Wie auf Kommando stoppte er vor einem Geräteschuppen neben dem Hauptgebäude. Er ruckte mit eckigen Bewegungen herum und holte eine Forke mit scharfen Zinken aus dem Bretterverschlag.
    Langsam schlich sich der Amerikaner an die Kate heran. Er umrundete sie wie ein hungriger Wolf. Dann entdeckte er sein Opfer.
    Zamorra saß am Küchentisch und trank Kaffee. Ahnungslos kehrte er dem Fenster den Rücken zu. Ihm gegenüber saß die
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