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0009 - Der Hexenmeister

0009 - Der Hexenmeister

Titel: 0009 - Der Hexenmeister
Autoren: Gerhart Hartsch
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Aber da war dieser Amerikaner, der ganz offensichtlich zum Kreis der Verdammten gehörte.
    Mochte er stellvertretend für Manasse sterben!
    Jemand hatte aus Birkenästen ein rohes Kreuz gezimmert. Er hielt es dem Delinquenten drohend entgegen.
    »Schwöre ab!« forderte Vincent Valadin, der einzige, der noch einen Rest Vernunft bewahrt hatte. »Entsage dem Bösen! Verfluche Manasse, deinen Herrn und Meister!«
    »Der ist unbelehrbar«, stellte eine Frau fest. Sie war randvoll mit Haß.
    Selbst wenn Zamorra in diesem Augenblick aufgetaucht wäre, er hätte ohne Gewalt die entfesselte Menge nicht bezwingen können.
    Die Leute forderten Bill Flemings Tod.
    »Foltert ihn!« forderte die giftige Alte, die Bill Fleming entdeckt hatte. »Schindet den Teufel aus seinem widerwärtigen Leib, damit wenigstens seine Seele gerettet werden kann!«
    »Laßt mich das machen«, forderte der Schullehrer, ein Männchen von unbestimmbarem Alter. Er trug als einziger einen Anzug und fuhr mitunter in die Stadt, um sich dort mit allem einzudecken, was er zum Leben brauchte. Das Angebot in Pelote genügte ihm nicht. Er besaß einen uralten Volkswagen.
    »Das ist nicht nötig«, wehrte Vincent Valadin ab.
    Irritiert blinzelte ihn der Lehrer durch die Brillengläser an.
    »Hast du dich bereits von diesem Verdammten anstecken lassen?« kreischte Percier, der Lehrer. »Hast du mehr Erbarmen mit diesem Verworfenen als mit den Leuten, die seit Menschengedenken unter dem Terror des schwarzen Abts leiden? Ich habe bei meiner Ankunft in Pelote vor etwa vierzig Jahren auch nur über eure Schauermärchen gelächelt. Später konnte ich mich überzeugen, daß etwas daran war. Heute glaube ich! Und es gibt nur ein Mittel gegen diese Gemeinde der Verfluchten, die in der Basilika ihr Unwesen treiben: Feuer und Schwert – wie in den alten Zeiten! Toleranz ist gut. Toleranz mit dem Bösen ist Verrat! Willst du uns verraten, Vincent?«
    Die Stimme des einzelnen ging unter im Chor.
    Die Leute waren auf die Knie gefallen und murmelten Gebete, während jeder darauf wartete, daß einer den Anfang machte und den Holzstoß in Brand setzte. Die meisten waren zu feige dazu, die Verantwortung zu übernehmen. Sie wollten den Amerikaner sterben sehen, aber sie mochten nicht selbst Hand anlegen, um den entscheidenden Anstoß zu geben.
    Einen Augenblick herrschte atemlose Stille, unterbrochen nur von dem leisen Murmeln einiger Unentwegter.
    Selbst der grobschlächtige Schmied hielt sich zurück, stahl sich scheu in die hinteren Reihen.
    Percier, der Lehrer, blickte sich verächtlich um.
    Rote, hektische Flecken prangten in seinem bleichen Gesicht. Sein Atem ging stoßweise. Er wußte, daß niemand den Mut finden würde. Diese Burschen waren alle ziemlich wortgewaltig, aber wenn es galt, zu handeln, zuckten sie zurück.
    Percier hatte nichts übrig für Leute, die ein Vorhaben nicht in die Tat umsetzten. Als Intellektueller bewunderte er insgeheim starke Naturen, die handelten, ohne viel zu fragen. Die Geschichte wimmelte von Helden. Keiner hatte die Welt durch bloße Reden verändert.
    Entschlossen stürzte Percier nach vorn.
    Hoch schwang er die Fackel über seinem Kopf.
    »Zur Hölle mit Manasse und seinen Anhängern!« kreischte der Lehrer, nahm die Fackel herunter und hielt die lodernde Flamme an den Scheiterhaufen.
    Doch ein plötzlicher heißer Wind erstickte die Flammen.
    Percier nahm seinen ganzen Mut zusammen und wiederholte die Prozedur, während sich Bill Fleming verzweifelt gegen die Fesseln aufbäumte, die ihn hielten und seine Handgelenke fest zusammenschnürten.
    Percier atmete auf.
    Die ersten Flammen schlugen hoch, griffen um sich.
    Alle starrten auf Bill Fleming, der am Pfahl hing wie das Opfer eines mittelalterlichen Femegerichts.
    ***
    »Komm hier entlang und bete, daß wir nicht zu spät kommen«, flüsterte Odile Blanche.
    Sie zeigte Romain Lassus den zweiten Eingang, der in Manasses unterirdisches Reich führte.
    Sie folgten dem Gang, ohne auf Widerstand zu stoßen.
    »Wo sind deine bösen Geister?« spottete Romain Lassus.
    Je tiefer sie in den Berg drangen, desto sicherer wurde der Pilot und fühlte sich immer mehr in seiner Skepsis bestärkt. Natürlich gab es das alles nicht, wovon die Einwohner von Pelote berichtet hatten.
    Dies war eine mittelalterliche Kirche, die irgendwann einem Brand zum Opfer gefallen war. Gewiß! Sicher ein Ort, der die Phantasie jedes Betrachters mächtig anregte.
    Der Pilot grinste nur.
    Die rote Hexe! Sicher, rot war
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