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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen
Autoren: E Greiff
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Sonne verzogen sich die letzten Dunstschwaden in einem langsamen Tanz himmelwärts. Niemals zuvor hatte der junge Badak-An-Bughar Bator, genannt Babu, ein tieferes Glück empfunden. Er sah die dunkle Spur seiner Kafur im taunassen Gras. Das Schicksal meinte es gut mit ihm.

 
    ZWEITES KAPITEL
DIE AUSROTTUNG DER HASEN
     
    Die Tage: Gras und Himmel und Schweigen. Die Abende: Bier und Reden. Und Schweigen. Wann war das Glück von damals verschwunden? Wohin war es verschwunden? Die Spur seiner Kafur im Gras war mit den Soldern breiter geworden, aber das Glück war nicht gewachsen. Sondern die Unruhe. Immer länger ließ Babu den Blick über das Grasland schweifen, immer weiter wollte er schauen. Er suchte. Er ritt los, der Horizont, den er kannte, war nicht mehr genug. Aber das Land der Merzer war groß und der Horizont blieb immer der gleiche. Also schaute Babu zurück, ging in die Vergangenheit, wollte reden über das Gestern und über die Richtung, aus der ihr Volk gekommen war und von der Babu nicht wusste, ob sie nun Krieg oder Freiheit gewesen war. Oder beides. Und Jator verstand ihn nicht, sondern sträubte sich und schlief ein, während Babu redete. Ja, Jator war sein Freund, Jator ging mit   – aber auf der Suche nach dem verlorenen Gefühl, nach der Unbeschwertheit von früher, konnte oder wollte er Babu nicht begleiten. Jator war mit so wenig zufrieden. Babu fühlte sich verlassen, ob mit Jator oder ohne ihn, über Tag und am Abend. Es machte keinen Unterschied, ob sie gemeinsam ritten und draußen in derSteppe lagerten oder ob er wie heute vor seinem Zelt im Pferch saß, allein.
    Babu fuhr mit belegter Zunge über seinen rauen Gaumen und trank einen Schluck Dickmilch. Er legte einige schnurgerade Binsenhalme zusammen, umwickelte sie fest mit dem starken Schweifhaar eines Ponys und befestigte eine scharfe, fein gezackte Knochenspitze an dem steifen Bündel. Diese Spitze würde jede den Merzern bekannte Haut durchdringen und im Fleisch stecken bleiben. Gegen einen metallenen Harnisch würden Babus Pfeile wenig ausrichten, aber was kümmerte ihn das? Er musste nicht auf Feinde schießen, und auf gepanzerte schon gar nicht. Seine Gegner waren die grauen Steppenwölfe, seine Beute waren Gelbhühner oder die kleinen grauen Wühlhasen, deren weit verzweigte Höhlensysteme dicht unter der Grasnarbe unberechenbare Fallgruben für galoppierende Ponys waren. Immer wieder kamen Hirten verstaubt und wütend zu Fuß zurück zu den Pferchen, den leichten Sattel auf dem eigenen Rücken, weil ihr Reittier in einen Wühlhasenbau gestürzt war und sich die Beine gebrochen hatte. Was das Todesurteil für ein Merz-Pony bedeutete, denn es musste schnell und zuverlässig sein, ausdauernd und wendig. Auch die Kafur verletzten sich, wenn der Boden unter ihnen nachgab, aber selten so ernsthaft wie die Ponys, da sie sich beim Grasen nur langsam fortbewegten. Schlimmer als all dies aber war: Die Hasen schadeten dem Gras. Hundert Kafur konnten das Gras nicht so schädigen wie ein einzelner Wühlhase, denn das Rind rupfte mit seiner starken Zunge die Halme büschelweise kurz über dem Boden aus und die Hirten wurden nicht müde zu erzählen, sie hätten mit eigenen Augen gesehen, wie zarte, frische Halme sprossen, wo eben noch ein Kafur entlanggezogen war. Die kleinen Pelztiere aber nagten an den Wurzeln und das Gras starb, nicht sichtbar von oben, denn es war immer gleich gelb.Die Merzer hassten die Wühlhasen mit einer Inbrunst, die es ihnen sogar verbot, ihr Fleisch zu essen oder ihr dichtes und weiches Fell zu verarbeiten. Ein Wühlhase war für gewöhnlich das erste Tier, das ein Merz-Junge oder -Mädchen erlegte; ganze Trupps von Kindern durchstreiften die Gegenden rund um die Stadt Bator Ban und die Pferche auf der Suche nach Hasen. Sie schnitten den Nagern die Köpfe ab und stopften damit alle Gänge zu, die sie finden konnten; die Kadaver wurden verbrannt. Aber es war ein hoffnungsloser Krieg, die kurzohrigen Hasen ließen sich nicht ausrotten.
    Aus diesem Grund hatte der Thon schon vor Soldern nach Hilfe schicken lassen. Drei in dunkle Stoffgewänder gehüllte Männer waren dem Ruf gefolgt und mit den Handelsschiffen aus Pram über die Merz zu ihnen gekommen. Babu war fasziniert gewesen von den großen Vögeln, die die Männer mitgebracht hatten. Er hatte wie üblich die Ankunft der Schiffe bei den Anlegern erwartet und gehofft, ein paar Geschichten aus der Ferne zu hören. Die Flussschiffer mochten Babu, denn so jung er
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