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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen
Autoren: E Greiff
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Abend nicht einmal Spaß beim Essen. Jator seufzte. Babu sah ihn an.
    »Jator?«
    »Ja?«
    »Sag mir, woraus ist unser Brennholz?«
    »Was soll das, Babu, das weißt du so gut wie ich.«
    »Sag es mir dennoch.«
    Widerstand war zwecklos. Babu hielt an seiner Sache fest, stur wie ein alter Mann, dabei war er sogar noch jünger als Jator.
    »Wir machen unser Feuer aus getrocknetem Kafurdung«, leierte der, »wie es schon unsere Väter gemacht haben und die Väter unserer Väter und deren Väter auch. Wir sind Grasleute, wir brauchen kein Holz für ein schönes Feuerchen, um uns ein paar leckere Gelbhühnchen zu brutzeln.«
    »Ganz genau. Wir sind Grasleute«, sagte Babu und richtete sich auf, »wir brauchen kein Holz. Und erst recht brauchen wir keine Steine und noch viel weniger brauchen wir Häuser, die aus Steinen sind, und vor allem   …«
    »Ho, ho, warte, Babu, tu mir den Gefallen und lass uns das abkürzen. Ich sage es jetzt noch genau ein Mal: Ich mag mein Haus. Ich bin gerne zu Hause. Und, ja, schüttel du nur den Kopf, ich sitze gern in der Küche und löffel Mutters Stockmus, das ist nämlich sehr gut, wie du weißt. Außerdem trinke ich lieber ein kräftiges Bier als Flusswasser. Und außerdem«, er hob die Stimme, um Babu abzuwürgen, der dazwischenredenwollte, »ist unser Haus nicht aus Stein, sondern aus Lehm. Die Hühner sind durch.«
    Babu schwieg beleidigt.
    Jator zog das knusprige Geflügel von den Spießen auf zwei dicke, speckige Spaltlederlappen   – Geschirr nahmen sie nicht mit, wenn sie die Herde zum Grasen ausführten, nur ein paar Blasshaferfladen, vielleicht einige getrocknete Strauchbeeren.
    Jator sah auf das gebratene Gelbhuhn, er hatte Hunger. Aber nun sogar im Streit essen? Das konnte er nicht.
    »Ich mag zwar ein Nichtsnutz sein, Babu, ich weiß, dass du im Geheimen so denkst   – jeder denkt so, denn ich habe keine eigene Herde. Aber weißt du was? Es ist mir egal. Ich komme mit dir mit und das reicht mir. Ich bin gern zu Hause, ja, aber ich jammere nicht, wenn wir unterwegs sind. Weißt du auch, warum? Mir gefällt mein Leben, ich mag alles so, wie es
ist
. Und ich glaube einfach nicht daran, dass gestern alles besser war. Weil das nicht wahr ist. Immer umherziehen, heute hier, morgen da, die große Freiheit. Deine Freiheit war
Krieg
, Babu, begreif das doch endlich. Diese Zeiten sind vorbei. Was willst du eigentlich? Du hast doch alles. Kannst du dich nicht ein wenig anpassen? Kannst du nicht   … dankbar sein?«
    Babu sah ihn ernst an und warf sich den Zopf auf den Rücken. Dann, endlich, lächelte er.
    »Du bist also ein Nichtsnutz? Wer hilft mir denn mit der Herde, wer hat heute auf sie achtgegeben, wem gehorchen denn die Hunde? Du bist ein guter Hirte, Jator. Ich bin froh, dass du mitkommst. Ich bin
dankbar
, dass du mich begleitest. Außerdem: Mit wem sollte ich sonst streiten?«
    Jator zog mit den Zähnen die Haut vom Gelbhuhnschenkel und warf sie den Hunden hin, die mit der Geduld eines Rudels Wölfe genau darauf gewartet hatten und sich nun gierig auf den Fetzen stürzten. Ja, zum Streiten war Jator gut genug. Aber daswollte er nicht. Er wollte seine Ruhe haben und ein wenig Spaß, das war nicht viel verlangt. Er hatte nichts dagegen, Babu zu begleiten, mit ihm die Herde auszutreiben, so war es immer gewesen und es war gut gewesen. Den Freund auf seinen Gedankengängen in die Vergangenheit zu begleiten, mit ihm in eine Zeit zu gehen, die vor ihrer eigenen, gemeinsamen Zeit lag, das aber widerstrebte Jator zutiefst. Denn es war eine dunkle, blutige Zeit gewesen. Warum also dorthin schauen? Der Thon sagte es doch auch: Die Merzer sollen in die Zukunft sehen. Und der Thon hatte recht.
    »Tascha wird heiraten«, sagte Jator.
    Babu verschluckte sich, würgte.
    »Wann?«
    »Sobald Kager sich die Hochzeit leisten kann, nehme ich an.« Er schlug Babu auf den Rücken, Babu wehrte ihn ab. Jator gab ihm einen kräftigen Schlag auf die Schulter.
    »Na, was soll’s! Ich habe ja noch eine Schwester.«
    Babu hustete und blickte finster auf die Mahlzeit in seinem Schoß. Dann packte er das Hühnchen und warf es vor die Hunde.
    »Ich will noch nicht ausgesucht werden. Ich bin noch nicht so weit.«
    »Sicher«, sagte Jator ruhig, biss ab und kaute ausgiebig. »Du bist noch nicht so weit   … Du lässt das Leben an dir vorbeiziehen und grübelst. Hier draußen   … am Feuer, am Fluss, unter den Sternen.«
    »Wirst du dann, wenn es so weit ist   … wirst du dann mit Kager
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