Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen
Autoren: E Greiff
Vom Netzwerk:
reiten?«
    Babus Augen waren groß und rund. Manchmal konnte man glauben, er sei gar kein echter Merzer.
    »Das müsste ich wohl«, sagte Jator. »Das wird von mir erwartet. Er ist dann mein Schwager.« Er puhlte sich Fleischfasernaus den Zähnen. »Aber was kümmert mich das, was andere von mir erwarten?« Er lachte. »Ich bin ein Nichtsnutz! Mir fehlt der Ehrgeiz. Meine Mutter und meine Schwestern haben sich längst damit abgefunden, dass aus mir nichts mehr wird. Ich soll Kagers Kafur hüten? Ich denke nicht daran.«
    Babu blickte Jator erstaunt an.
    Jator beugte sich vor. »Babu, ich bin dein
Freund
, ich komme mit dir. Von mir aus bis an mein Lebensende   … unter einer Bedingung.«
    »Die wäre?«
    »Du gibst ein für alle Mal zu: Bier ist besser als Wasser.«
    Babu grinste und nickte. Und nahm den Gelbhuhnschenkel, den Jator ihm reichte.
     
    Die Kafurrinder hatten an der lehmigen, von vielen tausend Hufen zerstampften Tränke am Ufer der Merz noch einmal tüchtig gesoffen und waren dann zum Pferch getrottet. Hier konnte Babu kranke oder schwache Tiere von den anderen trennen, hier konnte er mit Jators Hilfe Kälber kennzeichnen. Eine Arbeit, für die Jator nicht entlohnt werden wollte.
    Dann würden sie wieder losziehen. Der Pferch war zwar groß, im Langen Tal herrschte kein Platzmangel, aber von Zäunen umgeben zu sein behagte Babu nicht. Außerdem war er hier nicht allein: Viele umzäunte Areale bildeten ein verwirrendes Labyrinth aus Weiden, schmalen, nur für die Hirten auf ihren Ponys zugänglichen Pfaden und breiten, ausgetretenen Wegen, auf denen die Herden hinein- und hinausgetrieben wurden. Die meisten Pferche teilten sich einen Zaun, manche, vor allem die inneren, nahe der Stadt liegenden, waren von drei Seiten umgeben von Nachbarpferchen. In vielen Umzäunungen standen zudem Zelte   – es war üblich, dass die Hirten mit ihren Familien bei ihren Tieren wohnten.
    Das der Stadt vorgelagerte Kafurviertel war Sinnbild für den Reichtum der Merzer: Hunderttausende Kafurrinder standen, dampften, grasten hier, wurden gemolken und gemästet. Längst wurden nicht mehr alle Tiere über das Grasland geführt. Es waren mächtige Rinder mit hellbraunem, manchmal fast weißem, dicht gelocktem Fell und eng am Schädel anliegenden, gedrehten Hörnern. Die breiten Mäuler waren rosafarben und sanft, die lange, harte Zunge wie gemacht für das scharfe Gras. Ihre Milch und ihr gutes, dunkles und würziges Fleisch ernährten die Menschen, ihr dichtes Fell und ihr getrockneter Dung spendeten Wärme, ihre Knochen wurden zu Pfeilen, Nadeln oder Zeltstangen, das Horn zu Knöpfen, Schmuck und Kämmen für die Mädchen. Nichts in der bekannten Welt war so vielseitig und haltbar wie Kafurleder. Die Merzer hielten auch Schafe und Ziegen und kannten Wolle, aber sie waren nicht nur Grasleute, sie waren auch Lederleute. Hemden, Kleider und lange Staubmäntel, leicht und weich, fertigten sie aus Leder ebenso wie feste, biegsame Stiefel, perfekt zum Reiten und unverwüstlich. Die robusten Reithosen waren ledern und auch die mit Hornperlen verzierten Kappen und Helme. Die Merz-Gerber waren angesehene Leute, auch wenn sie ihr eigenes Viertel hatten, am anderen Flussufer und etwas stromabwärts, damit der Gestank ihres Handwerks die Stadt nicht betäubte.
    Die eng zusammenliegenden und miteinander verbundenen Pferche zeigten aber auch einen Mangel auf: den Mangel an Holz. Zäune waren teuer. Vereinzelt erhoben sich Strauchbeerenbäume über die wogenden Grasspitzen, aber wenn man es recht besah, waren das keine Bäume, sondern große Sträucher. Sie dienten den Hirten zur Orientierung im monotonen Gräsermeer, keiner würde es wagen, sie zu fällen. Das Holz kam über den Fluss, aus dem Osten, aus Pram. Mit ihm kamen die Händler und brachten Geschichten mit von fremden Völkernund fernen Ländern   – die Grasleute interessierten sich nicht besonders dafür. Nur Babu lungerte oft bei den Anlegern herum und schnappte vieles auf.
    Bald nun würde der Lendern zu Ende sein, und wenn es Firsten war, würden nur noch wenige Schiffe den mühsamen Weg flussaufwärts bis zur Stadt Bator Ban auf sich nehmen. Ein feuchtkalter Wind fiel dann von den Bergen hinab ins Lange Tal, tobte durch das Gras und wühlte das anschwellende Wasser der Merz auf zu unberechenbaren, kabbeligen Wellen. Noch war es nicht so weit, noch war es warm, zu warm, aber alles war vorbereitet: Zu Mittlendern hatten die Merzer bald doppelt so viele Kafur wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher