Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen
Autoren: E Greiff
Vom Netzwerk:
die kwothischen Soldaten im Gefolge. Die Elemente waren den Rechtschaffenden wohlgesonnen gewesen: zuerst das Wasser, das die Feinde der Freiheit aufgehalten hatte. Dann das Feuer. Und die Winde, die die Flammen über die Ebenen Welsiens trieben, bis das kriegerische Volk beinahe vollständig ausgerottet war und das große Sterben ein Ende hatte. So oder so ähnlich war es überall verzeichnet. Und das konnte keine Lüge sein, denn es war geschehen: Welsien war verbrannt, König Farsten war verbrannt und mit ihm sein Volk, alles war Asche geworden vor über hundert Soldern. Wen kümmerte das heute noch?
    Ihn. Der Mann hatte nicht nur alles gelesen, was an Schriften über die große Feuerschlacht in der Bibliothek von Pram verfügbar war, und das war viel. Er hatte sich auch Abschriften aus Kwothien schicken lassen und jede Quelle, auch die dunkelste, angezapft, um noch mehr Informationen aufzutun. Erst heute wurde ihm klar, wie blind er gewesen war.
    Er musste nichts mehr lesen über den hervorragenden, weitsichtigen Palmon von Pram, über die strategisch brillanten Heerführer der Kwother, über die flinken Steppenläufer. Er musste nicht mehr Truppenstärken nachrechnen, Versorgungswege nachvollziehen, Schlachtordnungen durchspielen. Er hatte sich viel zu lange mit den Militärs beschäftigt.
    Er musste das Feuer verstehen, nicht die Schlacht.
    Dem Mann wurde übel, er beugte sich vor und hielt denAtem an. Sein Herz, klüger als er selbst, war mit einem Mal still geworden, als wollte es ihn in Ruhe das erfassen lassen, was es längst wusste.
    Er musste das Feuer verstehen.
    Er holte tief Luft, er rang mit der Übelkeit.
    Er musste neu und anders denken, und das zog mit einer solchen Gewalt an ihm, dass er sich am Stuhl festhalten musste.
    Sein Herzschlag setzte wieder ein, schmerzhaft, und mit dem ersten Schlag sah er es. Das Inferno, wirklich wie nie. Ein ganzes Land in Flammen. Der Mann sah den Boden glühen und die Menschen brennen. Er hörte die Schreie und roch verkohlte Haut   – und das war es, was er nie hatte lesen können, denn dieses Feuer war unbeschreiblich in seiner Ausdehnung, seiner lodernden Gier, seiner rasenden Vernichtung. Der Mann fühlte die Glut, den heißen Atem der Todesangst und endlich verstand er: Dies war die Vergangenheit
und
es war die Zukunft.
    Denn dieses Feuer war zu groß gewesen. Es war so heiß, so mächtig gewesen, dass es in einer Nacht ein ganzes Volk verbrennen konnte. Ein solches Feuer konnte niemals völlig verlöschen. Ein solches Feuer schwelte weiter. Wenn niemand die verborgenen Glutnester austrat, konnte es auch nach über hundert Soldern wieder auflodern. Und dann würde es nicht nur ein Land, sondern den ganzen Kontinent in Brand setzen.
    Der Mann lehnte sich zurück und fuhr sich durch die Haare. Er schloss die Augen und schluckte den Speichel, der sich in seinem Mund gesammelt hatte. Er schmeckte bitter wie Galle.

TEIL EINS

 
    ERSTES KAPITEL
IM LANGEN TAL
     
    Sie hatten ihr Lager am sandigen Ufer der Merz aufgeschlagen, die nach dem außergewöhnlich heißen Lendern wenig Wasser führte. Flirrende Hitze hatte das Lange Tal gelähmt und in der Mittagsglut schien die Luft über den Gräserspitzen zu brennen. Nun, in der aufziehenden Nacht, wurde es kühler. Aber es regnete nicht. In einem Bett, das ihm zu groß geworden war, glitt der dunkle Fluss träge an ihnen vorüber.
    Jator drehte zwei Gelbhühner über dem Feuer, die Babu von seinem Ausritt mitgebracht hatte, fettes Federvieh, es zischte, wenn der Saft austrat und in die Flammen tröpfelte. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen.
    »Unser Land sorgt gut für uns, was meinst du, Babu?«
    Der Freund schwieg erst, rang sich dann doch zu einer Antwort durch.
    »Die Hühner sind so fett, ich hätte sie im Vorbeigehen mit der Hand fangen können.«
    Babu lag auf der Seite, den Kopf aufgestützt. Der lange schwarze Zopf ringelte sich im gelben Sand wie eine Schlange, die hellbraunen Augen wirkten dunkler im Schein des Feuers und ruhten mit einer Verachtung auf den Hühnern, die sienicht verdient hatten. Jator zog den Ärmel seines Lederhemds über die Hand und drehte wieder an den heißen Spießen. In letzter Zeit war mit Babu kein rechtes Gespräch mehr anzufangen. Den ganzen Tag über hatte Babu kaum ein Wort gesagt, sondern in die Ferne gestarrt, und dann war er losgeritten. Hatte Jator allein gelassen mit der Herde und den Hunden. War es nicht so, dass sie zusammen reiten sollten? Über Tag Langeweile und am
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher