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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen
Autoren: E Greiff
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gewöhnlich geschlachtet, jetzt stapelten sich die Ledersachen und Felle in den Lagerzelten, bereit, mit den letzten Schiffen gen Osten zu fahren. Viele würden als reiche Leute ins nächste Solder gehen, viele würden sich nun endlich auch ein Lehmhaus bauen, ein gemütliches, festes Heim   – und ihr Wohnzelt für immer zusammenlegen. Immer mehr junge Männer gingen Lehm stechen oder bestellten Felder. Aus den wilden Gräsern war Getreide geworden, aus frei laufenden Kafur wurden Tiere, die vor Pflüge gespannt wurden. Es war nicht mehr Ziel und Traum eines jeden, eine eigene Herde zu besitzen.
    Babu aber liebte seine Tiere, sie waren sein ganzer Stolz. An die dreihundert gesunde, stattliche Kafur konnte er sein Eigen nennen, was viel war für einen so jungen Mann. Schon als kleiner Junge hatte er geholfen, die Herde seines Onkels zu hüten, die größte der ganzen Horde, und mit zehn hatte er darauf bestanden, die Prüfung zum Hirten abzulegen, nach alter Tradition.
    »Nicht doch, Babu, das muss nicht sein«, hatte Bator Thon gesagt und war seinem Neffen durchs schwarze Haar gefahren. »Du hast längst bewiesen, dass du ein guter Hirte bist. Vergiss doch die Prüfung.«
    »Nein«, hatte Babu nur geantwortet und war so lange in der Halle stehen geblieben, bis der Thon sich geschlagen geben musste und einwilligte.
    Seine Mutter hatte nur widerwillig Proviant in die Satteltaschen gepackt und Babu immer und immer wieder gebeten, es doch nicht zu tun, oder wenn es denn unbedingt sein musste, noch ein oder zwei Soldern zu warten, er sei doch noch ein Kind. Babu aber war stur geblieben, hatte einen stämmigen Jungbullen aus der Herde seines Onkels ausgesucht, war auf sein Pony gesprungen und davongeritten, das Kafur im Schlepptau und ohne sich umzusehen.
    Zwei Zehnen war er fort. Drei Tage vor Mata, dem großen Schlachtfest, kam er zurück. Das Kafur führte er mit sich. Er hatte sich das graue Fell eines Steppenwolfs über den Rücken gelegt. Der vom Unterkiefer befreite Schädel zierte sein Haupt und war so groß, dass er dem jungen Babu immer wieder in die Stirn und vor die Augen rutschte. Er hatte das Kafur in die Anstiege geführt und Tag und Nacht bewacht, und als die Wölfe kamen, hatte er es beschützt. Er hatte die Prüfung bestanden.
    Der Jungbulle von damals war inzwischen zu einem großen, kräftigen Tier ausgewachsen und tat sein Bestes, um Babus Herde Solder für Solder anwachsen zu lassen.
Bascha
, wie Babu ihn rief, war unter den zwanzig gewesen, die Bator Thon seinem Neffen geschenkt hatte   – als Belohnung für die bestandene Prüfung und als Grundstock für seine eigene Herde. Denn das war Babus gutes Recht, egal, wie jung er war. Er war jetzt ein Wolfsbezwinger, ein
Luk-sir
, ein echter Hirte. Er musste nicht mehr für andere hüten, er durfte eine eigene Herde haben. Seine einzigen Verpflichtungen waren, jährlich fünf von hundert Tieren zur Herde des Thons zu führen und ein Tier aus der Herde zur Mata der Allgemeinheit zu opfern.
    Voller neuer Energie war er gewesen, als er Bascha am Strickhinter sich her zum Pferch des Thons gezogen hatte, und sein Herz hatte einen Sprung gemacht, als die anderen Hirten ihre Kappen abnahmen und an die Brust hielten, um ihn als einen der ihren zu begrüßen. Er ließ sich Zeit, seine zwanzig Kafur auszuwählen, und fachsimpelte mit den Männern des Thons. In ihren Augen stand kein Neid, sie hatten ein gutes und sicheres Auskommen, seit der Thon die Clans zusammengeführt und Frieden in die Horde gebracht hatte. Dieser Frieden hielt schon lange Soldern und wurde mit steigendem Wohlstand fester und tiefer. Babu hatte keine Erinnerung an die Zeiten der Auseinandersetzung. Nur die Abwesenheit seines Vaters bewies, dass es auch einmal anders gewesen war. Er hatte ihn nicht gekannt. Sein Vater war gefallen, wenige Zehnen, bevor Babu geboren worden war.
    »Der Thon ist ein guter Mann und ein großzügiger Mann«, sagten die Hirten, als sie Babus Tiere von der großen Herde trennten. »Das Schicksal meint es gut mit dir, Babu, Sohn des Friedens!«
    Babu glaubte es, er fühlte es. Er war damals zehn Soldern alt   – so alt wie der Frieden im Langen Tal. Dieser Frieden war sein Vater und das Lange Tal war sein Land, das weit ausgestreckt vor ihm lag, grenzenlos und in einer frühmorgendlichen Klarheit, die ihn ahnen ließ, was Freiheit wirklich bedeutet. Er war ein Luk-sir, ein echter Hirte, und er trieb seine eigene kleine Herde zum Weiden aus. In der aufgehenden
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