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Zwischen Licht und Dunkel

Titel: Zwischen Licht und Dunkel
Autoren: Ursula Spitzbart
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Ein Wort vorab
    Es gibt verschiedene Gründe dafür, auf Island zu wohnen. Den Lebenspartner zum Beispiel. Die Arbeit, ein Studium, die Schönheit des Landes. Oder man ist hier geboren. Ich falle in die erste Kategorie: Die Liebe hat mich hierher verschlagen. Was mit einem Sommerurlaub begann, wurde meine Gegenwart und Zukunft. Im Herbst 2003 verlegte ich mein Domizil nach Reykjavík.
    Island liegt nur gute drei Flugstunden von Deutschland entfernt, die Insel hat ihren festen Platz im Standardprogramm vieler internationaler Reiseveranstalter und entsprechend groß ist die Auswahl an Reiseliteratur. Nein, ein Geheimtipp ist Island nicht mehr. Trotzdem ist der gedankliche Weg auf die abgelegene Insel im Nordatlantik oft unendlich lang – und geheimnisvoll. Sie hat sich den gewissen Hauch von Mystik und Mythischem bewahrt, der neugierig macht.
    Tatsächlich wird meine Wahlheimat schon seit geraumer Zeit Jahr für Jahr von mehr Urlaubern heimgesucht, als sie Einwohner aufbieten kann. Auch von deutscher Seite mangelt es dabei an Island-Interesse nicht. Die Þjóðverjar , wie wir hier genannt werden, machen eine kräftige Portion aller Islandgäste aus. Deshalb umschwirren mich hier vor allem in den Sommermonaten die heimatlichen Laute nur so. Wo ich hinhöre, wird deutsch gesprochen. Individuelle Urlauber genauso wie Reisegruppen.
    Es überrascht daher nicht, dass meine Insel zum Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2011 auserkoren wurde – schon lange bevor sie im Oktober 2008 den Sprung in die weltweiten Medien schaffte. Kein anderes Land dieser Welt dürfte „dank“ der Weltwirtschaftskrise so sehr ins allgemeine Bewusstsein gerückt sein wie Island.
    Die Wirtschaftskrise – oder kreppa , wie sie auf isländisch genannt wird – schlug genau in dem Moment zu, als ich letzte Hand an die erste Auflage dieses Buches legte. Nur ansatzweise konnte ich damals das Thema noch aufgreifen. Mittlerweile sind seit dem großen Einbruch fast eineinhalb Jahre vergangen. Bis dahin galt Island als eines der reichsten Länder der Welt bei einem Lebensstandard, der ganz weit oben rangierte. Jetzt sind hier Schlagworte wie Entlassungswellen und Arbeitslosigkeit keine Fremdwörter mehr. Auch die Lebensgewohnheiten meiner Insulaner änderten sich, wenigstens kurz- bis mittelfristig. Diesem „neuen“ Alltagsleben auf Island in Zeiten der wirtschaftlichen Depression ist in vorliegender zweiten Auflage meines Werkes ein eigenes Kapitel gewidmet. Diese Ergänzung war mir ein großes Anliegen.
    Seit ich mich hier niederließ, werde ich mit Fragen zum Alltag vor Ort geradezu bombardiert. Lässt es sich gut leben? Wie spricht man? Wird es im Winter überhaupt hell? Dieses Buch – mein Erstlingswerk übrigens – ist der Versuch, sie zu beantworten. Es soll einen Einblick geben in das Leben dieser kleinen Inselgemeinschaft, so wie es sich mir jeden Tag präsentiert. Die Grundlage für meinen Bericht bilden nicht nur objektive Tatsachen, sondern ganz besonders persönliche Erfahrungen und Erlebnisse. Herzerwärmende, komische und überraschende. Frustrierende, unbegreifliche und nachdenkliche. Natürlich schreibe ich stets aus dem Blickwinkel der gebürtigen Deutschen, für die Island – und speziell Reykjavík – zur neuen Heimat wurde. Die Zahlen, die dabei immer wieder auftauchen, sind unverzichtbar. Schließlich beschäftigen sich meine Insulaner ausnehmend gerne mit Statistiken. Man könnte fast glauben, dass sie sich darüber identifizieren. Ich habe mich darum bemüht, mit der Mathematik behutsam umzugehen.
    Ich nahm es mit einer Nation auf, die zum 1. Januar 2009 gerade einmal 319.368 Einwohner stark war. Das entspricht ungefähr einem Bonn oder Mannheim. Etwa 60 % aller Islandbewohner leben in der und um die Landeshauptstadt Reykjavík. Wenn man diese Tatsache bedenkt, ist es recht gut nachvollziehbar, dass es für einen Ausländer nicht immer ganz leicht ist, an die isländische Seele heranzukommen. Deshalb nehme ich in meinem Bericht immer wieder die Position des Beobachters ein. Schon bald machte ich nämlich die Erfahrung, dass der Isländer im Prinzip sich selbst genügt. Er legt in seinem Innersten nicht unbedingt gesteigerten Wert darauf, andere als seinesgleichen in die eigenen Kreise aufzunehmen. Das soziale Netz der isländischen Gesellschaft ist extrem eng geknüpft und sich darin als Außenstehender ein wirklich festes Plätzchen zu schaffen, ist eine heikle Aufgabe, die das Leben in meiner Wahlheimat nicht immer
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