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Zwischen Licht und Dunkel

Titel: Zwischen Licht und Dunkel
Autoren: Ursula Spitzbart
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sein. Mehr als eine Türe am Auto sollte ohnehin niemals offen stehen, denn sonst besteht unweigerlich die Gefahr, sämtlichen frei beweglichen Autoinhalt auf immer und ewig an die Lüfte zu verlieren.
    Der unbarmherzige Wind ist auch meine einzige Erklärung dafür, dass sich kaum ein Fenster dieser Insel öffnen lässt. Seit jeher wohl ist fast jedes Exemplar im gesamten Land unbeweglich in den Rahmen eingelassen. Höchstens eine winzige Fensterluke kann nach außen gekippt werden. Erst seit kurzem schreibt das Gesetz mindestens ein zu öffnendes Fenster pro Wohnung vor, das im Notfall als Fluchtweg dienen kann. Unsere eigene Wohnung lässt sich jedenfalls erst richtig durchlüften, seitdem sie einen Balkon und damit auch einen zweiten Ausgang bekommen hat. Am großzügigen Gruß, den vor dieser Ära eine Möwe auf der Glasscheibe abgesetzt hatte, konnte ich mich bis zum nächsten großen Regen erfreuen. Das Praktische dabei: Fensterputzen kann man sich ohne schlechtes Gewissen sparen. Schmutzige Fenster gehören einfach dazu.
    Anfangs erstaunte es mich, mit welcher Gelassenheit der Isländer auch die schrecklichsten Wetterkonstellationen hinnimmt. Er geht vergleichsweise leicht bekleidet, im geschäftsmäßigen Anzug oder im Kostüm, durch Wind und Regen und schafft es trotzdem immer wieder, wie aus dem Ei gepellt daher zu kommen. Ich weiß nicht, wie das möglich ist. Trotz allem darf ich von mir nicht ohne Genugtuung behaupten, dass ich mir zumindest etwas von dieser lockeren Einstellung angeeignet habe. Diese Sinneswandlung tritt besonders auf nicht-isländischem Boden zutage. Wie unnötig war doch der Regenschirmwald beim Open Air-Konzert, wo es wirklich nur tröpfelte! Meldungen von „starkem Wind“ andernorts begegne ich kritisch. Ich habe gelernt zu relativieren und genieße die vereinzelten wirklich tollen Tage – und gluggaveður , „Fensterwetter“. Der Isländer weiß nämlich, dass strahlende Sonne nur allzu gerne das Blaue vom Himmel herunter verspricht. Trotzdem sorgt ein gemeiner, eisiger Wind dafür, dass es draußen kaum auszuhalten ist. Man tut deshalb am besten daran, sich am vermeintlich schönen Wetter vom sicheren Wohnzimmer aus zu erfreuen. Wenn mir dann die Sonne durch unser großes Fenster hindurch ins Gesicht scheint, wird es auch ziemlich warm.
    Richtig gewöhnt habe ich mich an die extremen Tageslichtverhältnisse – und den Wind – nicht. Ich glaube gar, dass das nur derjenige kann, der hier geboren ist. Eines jedoch weiß ich sicher: Wer mit einem Überwinterungsversuch auf Island liebäugelt, sollte wenigstens drei Dinge in seinem Reisegepäck haben: eine zeitintensive Beschäftigung, eine gute bis sehr gute psychische Konstitution … und ein im günstigsten Falle menschliches Kuscheltier.

Warum man besser gleich fünf Brötchen kauft
    Der Isländer ist stolz auf seine Muttersprache. Und felsenfest davon überzeugt, mit der vielleicht schwierigsten Sprache der ganzen Welt geschlagen zu sein. Wenn ich an meine eigenen Mühen denke, die ich mit Isländisch hatte, habe und noch haben werde, könnte ich dieser Ansicht glatt zustimmen. Doch trotz der ewigen Plage gibt mir meine neue Sprache immer wieder Anlass zur Erheiterung.
    Ausgerechnet Island! Hätte es mich nicht in ein sprachtechnisch weniger kompliziertes Land verschlagen können? Nach meiner Erfahrung sind erstaunlich viele Leute der Meinung, hier würde dänisch gesprochen. Aber unabhängig wie meine Insulaner nun einmal sind, haben sie mit Isländisch auch ihre eigenständige Sprache. Altisländisch entwickelte sich aus dem Altnordischen, so wie auch Altnorwegisch. Deshalb vergleiche ich den Klang von gesprochenem Isländisch gerne mit dem von Norwegisch. Und aussehen kann Isländisch so: „ Þrír slösuðust þegar jeppi og fólksbíll lentu í árekstri … Að sögn lögreglunnar … er vegurinn lokaður … Þyrla Landhelgisgæslunnar er á leið á staðinn .“ Eine Nachrichtenmeldung, die über einen Verkehrsunfall berichtet: „Drei Personen wurden verletzt, als ein Jeep und ein PKW zusammenstießen … Nach Aussage der Polizei … ist die Straße gesperrt … Ein Hubschrauber der Küstenwache ist auf dem Weg zum Unglücksort.“
    Sobald ein Isländer herausfindet, dass ich Ausländer bin, läuft ein standardisiertes Frage- und Antwortspiel ab: „Woher kommst du?“ „Aus Deutschland.“ „Und wo aus Deutschland?“ „Aus Nürnberg in Bayern.“ „Wie lange bist du schon hier?“ „Fünf Jahre.“ Und
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