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Insel der Rebellen

Insel der Rebellen

Titel: Insel der Rebellen
Autoren: Patricia Cornwell
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EINS
    Unique First - dieser Name passte wie angegossen, jedenfalls nach Meinung ihrer Mutter. Unique setzte sich stets an die erste Stelle und war wirklich einmalig. Niemand kam ihr gleich - und das war auch verdammt gut so, wie ihr Vater, Dr. Ulysses First, zu sagen pflegte, der nie begriffen hatte, welcher genetische Teufel dieses böse Spiel mit seinem einzigen Kind getrieben hatte.
    Unique war ein zartes Geschöpf von achtzehn Jahren mit langen, glänzenden Haaren, schwarz wie Ebenholz, einer Haut wie Milch und Honig und vollen roten Lippen. Sie wusste, dass ihre hellblauen Augen einen Zauber ausstrahlten und ein Blick aus diesen Augen genügte, um jeden Menschen für ihr Projekt zu benutzen. Wochenlang konnte sie jemanden geduldig im Visier haben, bis die Spannung schon fast unerträglich wurde und sich schließlich explosionsartig entlud, worauf dann gewöhnlich ein Zustand vollkommener Leere folgte.
    »Hey, aufwachen, mein Auto springt nicht an.« Sie klopfte ans Fenster des Peterbilt-Sattelschleppers, der einsam auf dem Obst- und Gemüsemarkt am Stadtrand von Richmond stand. »Haben Sie vielleicht ein Handy?«
    Es war vier Uhr morgens, stockdunkel und der Parkplatz kaum beleuchtet. Obwohl Moses Custer sehr gut wusste, dass es nachts in dieser gottverlassenen Gegend nicht ungefährlich war, hatte er nach dem Krach mit seiner Frau seine übliche Besonnenheit vergessen, war in seinen Truck gesprungen und mit aufheulendem Motor davongerast. Jetzt wollte er hier draußen die Nacht verbringen; einsam und verloren zwischen den Gemüseständen. Das soll ihr eine Lehre sein, dachte er wie jedes Mal, wenn sich sein e Ehe wieder von ihrer hässlichsten Seite zeigte. Als das Klopfen nicht aufhörte, öffnete er die Tür zum Führerhaus.
    »Oh, Mann, was macht'n so 'n hübsches Ding wie du um diese Zeit hier draußen?«, fragte Moses, der verwirrt und betrunken in ihr helles, fein geschnittenes Gesicht starrte, das ihn engelsgleich anlächelte.
    »Sie werden gleich etwas Einzigartiges erleben.« Wie immer erinnerte Unique mit diesen Worten an ihren Vornamen, bevor sie sich anschickte, ihr Projekt in die Tat umzusetzen.
    »Was meinst'n damit?«, fragte Moses verwirrt. »Was meinst'n mit einzichartich?«
    Die Antwort kam von einer Schar Dämonen, die ihn mit Tritten und Schlägen überschütteten, seine Kleidung zerfetzten und an seinen Haaren rissen. Die Hölle explodierte und spie Obszönitäten aus, und in seinen Muskeln und Knochen schien ein infernalisches Feuer zu brennen, als die wütenden Teufel ihn zerschlugen und in Stücke rissen. Er blieb wie tot am Boden liegen, während sein Truck davonfuhr. Moses schwebte eine Weile über seiner sterblichen Hülle und betrachtete seinen misshandelten Leib, der leblos auf der Teerstraße lag. Blut strömte aus seinem Kopf und mischte sich mit dem Regen. Er hatte nur noch einen Stiefel an, und sein linker Arm war in einem unnatürlichen Winkel vom Körper abgespreizt. Als Moses so auf sich hinabblickte, fühlte sich ein Teil von ihm unendlich müde und bereit für die Ewigkeit, während ein anderer Teil bekümmert dem Leben hinterhertrauerte.
    »Mein Kopf ist hinüber«, jammerte er und begann zu schluchzen, als alles um ihn herum schwarz wurde. »Ohhh, mein Kopf ist hinüber. Gott, ich bin noch nicht so weit. Meine Zeit ist noch nicht gekommen!«
    Aus der vollkommenen Dunkelheit löste sich Moses' Geist abermals und betrachtete das Geschehen erneut von oben: pulsierende Blaulichter und hektische Feuerwehrleute, Notärzte und Polizisten in gelben Regenjacken, deren reflektierende Streifen in der Nacht weiß glühten. Lichter zuckten auf dem nassen Asphalt, ein kalter Regen fiel, und er hörte aufgeregte Stimmen, aber nichts, was sie sagten, ergab einen Sinn. Sie schienen ihn geradezu anzubrüllen, und Moses fühlte sich klein und erbärmlich. Er versuchte, die Augen zu öffnen, doch sie waren wie zugenäht.
    »Was ist mit dem Engel passiert?«, murmelte er immer wieder.
    »Sie hat gesagt, ihr Auto springt nicht an.«
    Der weiße Mazda Miata lief einwandfrei wie immer, und Unique fuhr ein paar Stunden durch die Stadt, während die Radiosender über den Überfall auf dem Obst- und Gemüsemarkt berichteten. Es handle sich offensichtlich um die gleiche Bande von Highway-Piraten, die Virginia bereits seit Monaten unsicher machte. Doch diesmal genoss Unique das Nachbeben ihrer Tat ein bisschen weniger als sonst. Sie hätte zwar schwören können, dass der alte schwarze Trucker tot
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