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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt
Autoren: Marie Lucas
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ist jeder hier für sich: Über so hohe Zäune, wie es sie hier gibt, kann man gar keine Nachbarschaft pflegen. Wieder ein Punkt für mich. Ich hätte schon ewig unter ihnen leben können, meinen neuen ›Freunden‹ wäre es nicht aufgefallen. Man trifft sich nur, wenn man rausgeht aus seiner Festung. Wir treffen uns meistens an der Bushaltestelle.
    »O Mann, ich kann’s kaum abwarten, bis ich endlich meinen Führerschein habe«, seufzt Anni und betrachtet ihre frisch lackierten Fingernägel. »Die Fahrstunden sind doch für die Katz. Ich kann das längst.«
    »Wem sagst du das.« Fred lehnt am Bushäuschen. Sie sieht toll aus mit ihrem Kurzhaarschnitt, den pinken Leggins, einem wahnsinnig kurzen Rock und passendem Oberteil. Schrill und gleichzeitig cool.
    Dagegen wirkt Anni wie eine graue, gestreckte Maus. »Wisst ihr schon, welches Auto ihr haben wollt?«, will sie wissen.
    »Bist du dir denn sicher, dass du überhaupt eins bekommst?«, fragt Fred.
    Ich halte mich aus solchen Diskussionen meist raus und gebe vor, müde zu sein. Bin ich allerdings auch.
    »Klar«, sagt Anni. »Meine Eltern haben meinem Bruder einen Golf Cabrio vor die Tür gestellt. Mit Schleife. So was Peinliches muss ich auf jeden Fall verhindern. Ich dachte an den Beetle. Oder was Audiartiges.«
    »Den TT ?«, fragt Konrad.
    »Den kriege ich nie und nimmer. Dazu sind meine Eltern viel zu geizig.«
    »Das war ein Scherz, Anni.«
    »Sehr witzig, Konrad.«
    Ich versuche nicht hinzuhören. Mich unsichtbar zu machen, was bei Fred und Anni meist auch ganz gut funktioniert. Nur Konrad scheint es immer wieder darauf anzulegen, mich anzusprechen. Oder auszuhorchen.
    »Und du, Julia? Was haben deine Eltern für dich zum bestandenen Führerschein geplant?«, fragt er.
    »Ich sollte vielleicht erst einmal bestehen«, lächele ich milde.
    »Bei deinen Fähigkeiten in Physik und Mathe sehe ich da keine Probleme. Keine Vergleichsmöglichkeiten? Geschwister, die älter sind und ein Cabrio vor der Tür stehen hatten mit Geschenkschleife drum herum, so wie bei der lieben Anni?«
    Ist das eine Fangfrage? Ich beschließe, so weit wie möglich bei der Wahrheit zu bleiben. »Mein Bruder, also mein Halbbruder, hat einen Käfer gefahren. Keinen Beetle, sondern einen der alten.« Und ich weiß das so genau, weil er mich einmal darin mitgenommen hat. Ein einziges Mal. Kurz bevor mein Leben in Scherben fiel.
    »Du hast einen Bruder?« Freds Augen weiten sich neugierig.
    »Halbbruder, ja.« Schon bereue ich, es überhaupt erwähnt zu haben.
    »Davon hast du uns noch nie erzählt«, sagt Anni anklagend.
    Ich versuche, gleichmütig auszusehen. »So viel haben wir uns bislang schließlich noch nicht unterhalten, Anni. Ich wusste ja auch nicht, dass du einen Bruder hast.«
    »Stimmt«, sagt Konrad. »Man kann sich so selten mit dir unterhalten. Vor allem, wenn Felix in der Nähe ist. Aber noch ist er ja nicht da.« Er lächelt, während er das sagt, und nimmt seinen Worten damit die Schärfe. Trotzdem ist mir unwohl dabei. »Hände hoch«, ruft er ganz plötzlich, so dass ich unwillkürlich zusammenzucke, »wer noch ein paar Geschwister versteckt hat«, und reißt seinen Arm hoch.
    Fred kichert und meldet sich ebenfalls. »Eine jüngere Schwester. Aber du bist doch ein Einzelkind, Konrad.«
    Konrad blickt auf seine Hand, als sähe er sie zum ersten Mal. »Stimmt ja, Frederike. Schön, dass du so gut Bescheid weißt über mich.« Das Letzte klang scharf. Doch schon lächelt er wieder, und Anni und Fred kichern gemeinsam. »Und jetzt zu Julia. Warum Halbbruder? Wer von deinen Eltern ist der Übeltäter? Na?«
    Ich schüttele unwirsch den Kopf. »Niemand. Mein Vater war schon einmal verheiratet, bevor er meine Mutter traf. Das ist alles.« Das ist ja wohl nichts Ungewöhnliches heutzutage. Und es ist keine Lüge.
    »Und dein Halbbruder ist älter.«
    »Muss er wohl.«
    »Sieht er gut aus?«, will Anni wissen.
    Sieht Justin gut aus? Und wie. Wenn man auf glattes, haifischartiges Lächeln steht. »Er würde dir sicher gefallen, Anni.«
    »Dann musst du ihn mir auch vorstellen.«
    »Er wohnt nicht hier. Arbeitet in Frankfurt.«
    »Ach so.« Für Anni ist die Sache damit abgehakt. Nicht jedoch für Konrad, der neugierig aussieht. Neugierig, und da ist auch noch etwas anderes. Etwas Lauerndes, vielleicht.
    Gott sei Dank kommt in diesem Augenblick endlich der Bus und mit ihm Felix und Maximilian, die zwei Haltestellen vorher eingestiegen sind.
    Konrad ist mir dicht auf den Fersen, als
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