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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt
Autoren: Marie Lucas
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auch besser so, weil ich das ständig tue. Ich hätte den Stoffwechsel einer Raupe, behauptet meine Mutter.
    Felix verzieht das Gesicht. »Und selbst dein Wurstatem kann mich kaum abschrecken. Ist da etwa Knoblauch drin?«
    Ich zucke mit den Schultern. »Glaube schon.«
    Mein Freund zieht mich so dicht an sich heran, dass sich unsere Nasen beinah berühren. »Gibst du mir was ab?«
    »Igitt, jetzt hört aber auf«, sagt Maximilian abfällig.
    »Ja, ehrlich, jetzt wird es ekelig«, schaltet sich auch Anni ein.
    Ich biege meinen Oberkörper zurück und halte Felix das Wurstbrot hin. Er beißt ab, aber das war natürlich nicht, was er bezweckte: Ich kann spüren, dass ihn das erregt. So langsam wird die Show etwas für Fortgeschrittene. »Jetzt mal loslassen«, sage ich und befreie mich. »Ich will in Ruhe aufessen.«
    »Kann ich gar nicht verstehen, wie du all diese Kohlenhydrate zu dir nehmen kannst«, sagt Anni und verzieht das Gesicht.
    »Schmecken gut«, antworte ich mit vollem Mund.
    »Bis achtzehn Uhr ist das doch okay«, meint Fred, jetzt an Maximilian gelehnt.
    »Nun ja, das muss jeder selber wissen«, erwidert Anni mit vielsagendem Blick.
    Fred wird rot und versteift sich.
    Sie ist fest davon überzeugt, ein Gewichtsproblem zu haben, dabei hat sie einfach einen tollen Körper, würde ich sagen. Anni ist natürlich leichter, aber die ist auch flach wie ein Brett. Der Pagenschnitt betont ihren langen Hals noch zusätzlich, und sowieso ist alles lang an Anni: ihre Arme, Beine, Finger. Sie ist genauso groß wie die Jungs, worunter sie leidet, obwohl das in unseren Modelzeiten doch so angesagt ist …
    O nein. Ich schlucke. Jetzt fange ich auch schon mit der Lästerei an. Nie wieder, habe ich mir geschworen. Nie wieder will ich über so einen Mist nachdenken müssen. Aber worüber sollen wir sonst reden? Und wie passt dieses Vorhaben zu meiner selbstverordneten Leichtigkeit des Seins?
    »Ich vermeide Wurst nach dem zweiten Gong«, sage ich, »das hilft. Und du, Konrad?«, versuche ich den Einzigen in das Gespräch miteinzubeziehen, der bislang noch nichts gesagt hat, »was meinst du dazu?«
    Konrad lässt seinen Blick anzüglich über meinen Körper gleiten. »Ich meine«, sagt er langsam, »dass Fleisch dir gut steht«, was immer das auch heißen soll.
    »Hey.« Felix lacht. »Augen weg. Das ist meine Freundin.«
    »Deine
neue
Freundin«, sagt Konrad mit merkwürdiger Betonung.
    »Und wie neu«, entgegnet Felix und will mich schon wieder anfassen, aber ich bin schneller.
    »Kurz wegwerfen«, ich halte das Brotpapier hoch und gehe zum nächsten Papierkorb.
    Konrad ist mir ein Rätsel. Er ist eher der dunkle Typ, könnte glatt als Italiener durchgehen, auch wenn er nicht die Spur italienischen Charmes besitzt. Er hat schwarze, lockige Haare und dunkle Koteletten, die ihn manchmal so aussehen lassen, als hätte er sich aus den Sixties hierherverirrt. Konrad kann in einem Augenblick nett sein und fies im nächsten. Bislang redet er nicht viel. Er hört zu, hält sich raus, um dann, im entscheidenden Moment, zuzustoßen. Soviel habe ich bisher herausgefunden. Und dass auch er eine Zeitlang mit Fred zusammen war, vor Maximilian, aber ich weiß nicht, was dann passiert ist. Warum sie sich getrennt haben.
    Ich wünschte, ich hätte jemanden, den ich danach fragen könnte. Eine echte Freundin. So jemanden wie … Ich beiße mir auf die Zunge. Knülle das Butterbrotpapier zusammen und lasse es in den Papierkorb fallen. Nein. Das Kapitel ist abgeschlossen. Müll, mehr nicht. Und auch nicht mehr wert als das.
     
    Zu Hause mache ich mir erst einmal ein Nutellabrot. Meine Mutter ist schon da und hat sich Arbeit mitgebracht. Sie arbeitet hauptsächlich für einen Rechtsanwalt, tippt Gutachten. Jetzt sitzt sie mit Kopfhörern an unserem Esstisch im Wohnzimmer, vor sich den Computer.
    Ich setze mich zu ihr, notgedrungen, weil es der einzige Tisch ist, den wir haben. Vom wadenhohen Couchtisch einmal abgesehen.
    Meine Mutter sieht auf, hebt einen Zeigefinger, was soviel heißt wie ›einen Augenblick noch‹, dann tippt sie wieder. Sie ist ein mobiles Schreibbüro, eine Ich- AG .
    Ich bin fast fertig mit meinem Brot, als sie den Kopfhörer endlich abnimmt und sich streckt.
    »Puh, das war anstrengend«, sagt sie. Sie massiert sich selbst den Nacken. »Ein Rechtsstreit mit einem Arzt. Da wimmelt es nur so von Fachausdrücken, die ich alle nachschlagen muss.«
    Ich nicke.
    »Du hast da was …« Sie deutet auf die entsprechende
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