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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt
Autoren: Marie Lucas
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geschlafen? Albträume gehabt?« Sein Atem streicht über mein Haar.
    »Mmh?«
    »Du siehst noch müde aus.«
    »Nein, bin ich nicht.« Bin ich doch. Ich musste gestern ewig aufbleiben, um dieses fürchterliche Englisch zu pauken. Es gibt soviel nachzuholen. Soviel zu verbergen. Inzwischen lüge ich auch bei den nichtigsten Anlässen. Als sei es mir in Fleisch und Blut übergegangen. »Und du?«, frage ich, um davon abzulenken, »was hast du noch gemacht?«
    »Playstation, Xbox, Fernsehen, das übliche«, sagt Felix, sagt mein Freund.
    Mein neuer Freund: Kaum drei Wochen auf der Schule und schon einen Freund. Nicht schlecht. Das ist sogar hervorragend, wenn man bedenkt, dass Felix total beliebt ist. Der Mittelpunkt einer Clique, die als die coolste hier gilt. Leider auch als die reichste, und das macht die Dinge kompliziert. Aber solange mein Kleiderschrank noch etwas hergibt, was nicht völlig out ist, so lange kann ich mich sicher fühlen. In Felix’ Armen und in der Clique.
    »Und hast du alles geschafft oder willst du abschreiben?«
    Felix hat gut reden. Er scheint kaum zu lernen für seine guten Noten, sie fliegen ihm zu. So wie Freundschaften. Oder vielleicht stehen auch die Lehrer auf sein unwiderstehliches Lächeln?
    »Abschreiben.« Ich schiebe ihn gespielt empört von mir. »Was denkst du denn von mir?«
    »Ich denke«, und er zieht mich wieder an sich heran, »dass du in Englisch ein hoffnungsloser Fall bist.«
    Das ›hoffnungslos‹ trifft mich. Wieder befreie ich mich aus seiner Umarmung, dieses Mal ernsthaft. »Sag das nicht.«
    »Hey, Babe, war nicht so gemeint.«
    »Und sag nicht ›Babe‹.« Ich will nicht zickig sein. Niemand will eine zickige Freundin. Aber hoffnungslos? Hoffnungslos ist nichts, fast nichts. Das will ich zumindest glauben.
    »Ach Ju-li-a«, sagt Felix liebevoll und macht eine spöttische Verbeugung. Aber er lächelt dabei, und ich verzeihe diesem Lächeln. Wenngleich ein kleiner Stachel bleibt.
    Mit den anderen Schülern quetschen wir uns durch die Schultür, was gar nichts so einfach ist, so Arm in Arm, und lassen uns zu unserem Klassenzimmer treiben. Leute nicken ihm zu, Leute, deren Namen ich nicht weiß. Viele Mädchen sind darunter. Ich frage mich, welche von ihnen er kennt, näher kennt, aber so etwas führt zu nichts. Und eigentlich will ich nur spüren, dass ich eifersüchtig bin. Denn wer eifersüchtig ist, der liebt, oder? Und ich will lieben. Lieben und leben und alles um mich herum wieder leicht nehmen.
    »Wir sind da, meine Schöne«, sagt Felix und küsst mich.
    Ob Liebe oder nicht: Küssen kann er. Auf seine Küsse kann ich eifersüchtig sein.
    »Mann, nehmt euch doch ein Zimmer«, raunzt Konrad uns an und drängelt sich an uns vorbei.
    Felix lacht und gibt ihm von hinten eine Kopfnuss. Dann folgt er ihm.
    Auch ich gehe an meinen Platz. Ich sitze gleich vorne neben Miriam, einem blassen Mädchen mit Mittelscheitel, die wenig redet. Sie ist eine super Sportlerin, trainiert zigmal die Woche im Leistungszentrum, und mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Sport! Noch eins meiner Hassfächer.
    »Hallo Miriam«, begrüße ich sie und packe meine Bücher aus.
    Sie nickt nur.
    Erste Stunde Mathe. Wenn es so etwas wie Sternstunden in meiner schulischen Karriere gibt, die wahrlich nicht gerade atemberaubend verläuft, dann in naturwissenschaftlichen Fächern. Meine kleinen grauen Zellen lieben es logisch. Dafür löschen sie sofort alles, was sich auch nur ansatzweise nach Fremdsprache anhört. Man muss in meiner Gegenwart nur nuscheln und zack, Durchzug.
    Ich suche gerade meinen Kuli, als Anni mir von ihrem Platz aus zuwinkt. Ich winke zurück. Sie gehört auch zu Felix’ Clique, und ich habe den Eindruck, sie ist in Konrad verliebt. Ich weiß noch nicht, was ich von ihr halten soll. Auf jeden Fall gibt sie sich Mühe, nett zu mir zu sein.
    Und dann kommt Niki herein, und wie immer klopft mein Herz schneller, das dumme Ding. Ich hasse mein Herz. Es tut nie, was es tun soll. Es klopft so laut, dass Niki es hören müsste, während er an mir vorbeigeht, aber das geht ja zum Glück nicht. Worüber ich froh bin, selbstverständlich.
    Ich rieche ihm kurz hinterher, das erlaube ich mir. Das ist mein Bonus für gutes Betragen. Er riecht einzigartig. Vielleicht ist es auch die Lederjacke, die er ständig trägt. Sie muss ja nach ihm riechen, so oft, wie er sie anhat. Meist zieht er sie auch im Unterricht nicht aus, außer, er wird dazu aufgefordert.
    Niemand winkt ihm zu, niemand
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