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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt
Autoren: Marie Lucas
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wollte ich dir beistehen«, gibt Felix offen zu. »Dass ein Geist dahintersteckt, davon hat Niki mir erst im Taxi erzählt. Ich dachte eher, dass wir Erik aufmischen wollten.«
    Ich bin immer noch fassungslos. »Aber ihr … nun gut, du, Niki, konntest doch nicht davon ausgehen, dass das mit dem Wasser klappt. Ich meine, vielleicht lag es ja an etwas anderem. Der Schaufel. An Felix. Der Kombination aus beidem …«
    »Ich habe recherchiert, was glaubst du denn?«, widerspricht Niki. »Gleich nachdem wir mit Tom geredet haben. Tote hassen Wasser«, sagt er und reibt sich den Hals. »Wasser hat in allen Religionen eine große Bedeutung. Bei uns durch die Taufe: Man stirbt symbolisch unter Wasser, wenn man untergetaucht wird, und darf wieder auferstehen.«
    »Das heißt also, ihr habt den Geist magisch getötet, und er ist nicht mehr auferstanden?«
    »Nein.« Niki schüttelt den Kopf. »Können sie nicht. Sie kommen nicht mehr raus.« Kein Wort darüber, dass er auch leicht dabei hätte draufgehen können. »Allerdings würde ich vorsichtshalber das Poolwasser wechseln … War ein Scherz«, fügt er hinzu, als er meinen entgeisterten Gesichtsausdruck sieht. Er fängt wieder an zu husten, steht auf und winkt ab, als ich ihm helfen will. Hustend geht er Richtung Toilette und lässt mich mit Felix allein.
    Der wirklich, wirklich scheußlich aussieht mit diesem karierten Sweatshirt.
    »Was ist?«, fragt Felix, als er meinen Blick sieht.
    Ich schüttele den Kopf und muss wider Willen lächeln. »Karos stehen dir einfach nicht.«
    »Ja«, erwidert er seufzend, »bei der nächsten Geisteraustreibung werde ich daran denken, Klamotten zum Wechseln mitzunehmen.«
    Wir lachen, werden beide aber schnell wieder ernst. Sehen uns an.
    »Und jetzt?«, frage ich ihn.
    »Jetzt werde ich warten«, erwidert Felix.
    »Worauf warten?«, will ich wissen, und mir wird unbehaglich.
    Felix streicht sich durchs nasse Haar. »Dass irgendein Geist es doch schafft, Niki zu erwischen. Nicht, dass ich ihm das wünsche, aber irgendwann passiert das sicher.«
    »Erwischen? Was meinst du?«
    »Es wird andere Geister geben, neue. So welche wie das … wie hast du es gleich genannt? Das Wolfswesen. Wie das Ding im Planschbecken. Wenn er nicht aufpasst.«
    »Und darauf wartest du.«
    »Nein.« Felix schüttelt den Kopf. »Ich warte auf dich. Irgendwann wird Niki dich anfassen, im falschen Augenblick berühren, und du wirst es spüren. Das, was er immer spürt. Oder er lässt sich mal wieder von einem dieser Dinger kapern, was weiß ich. Er kann sich nicht schützen vor dieser anderen Welt, dieser Schattenwelt. Er ist es. Niki selbst. Er ist das Tor.«
    Felix schweigt. Ich wische mir die Gänsehaut von den Armen und will etwas erwidern, als er doch noch weiterspricht.
    »Du wirst irgendwann nicht mehr ertragen, mit ihm zu leben. Neben ihm zu liegen. Ihn zu berühren. Und noch nicht einmal das wünsche ich mir. Aber es wird so kommen. Und dann bin ich da für dich. Ich werde auf dich warten.«
    Das Tor. Er ist es. Er ist das Tor.
»Felix …«, beginne ich gequält.
    »Schon gut«, sagt Felix. Er zwinkert mir zu. »Die Hölle ist auf meiner Seite. Ich bin es nicht, den du bedauern musst.« Er dreht mir den Rücken zu, um noch einen Kaffee in Angriff zu nehmen.
    Die Hölle.
    Im infernalischen Lärm der Kaffeemaschine verpasse ich glatt, dass Niki zurückkommt. Zucke zusammen, als er seinen Arm um meine Hüfte legt, mir einen Kuss aufs Haar drückt.
    »My nyas«, sagt er. Dann bemerkt er meinen Gesichtsausdruck. »Schon wieder ein Hamster gestorben?«
    Ich blinzele, lächele und schüttele den Kopf.
    »Wir sind doch die Guten, wir haben gewonnen: Weißt du nicht mehr?«
    »Für dieses Mal«, sagt Felix, der mit seiner Kaffeetasse entspannt an der Anrichte lehnt und uns beobachtet.
    »Und für alle Ewigkeit«, sagt Niki gutgelaunt.
    Wieder lächele ich gezwungen, sehe von einem zum anderen. Liebe sie beide in diesem Augenblick, gleichermaßen, mit einer Sehnsucht und einer Trauer, die mir den Atem nehmen. Nun, kein Wunder, schließlich haben sie mich gerettet, oder etwa nicht? Der dunkle Engel und der strahlende Held. Ich bin mir gar nicht mehr sicher, wer von beiden eigentlich wer ist.

Epilog
    O ft sehe ich es noch vor mir. Dieses hasserfüllte, tote Gesicht, die nach vorne gestülpten Lippen, die Fangzähne. Meistens in meinen Träumen. Dort hat es noch Macht über mich. Dort kann es sich mir nähern, das Wolfswesen, mit wiegendem Kopf und schabendem
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