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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt
Autoren: Marie Lucas
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Geräusch wie Fingernägel auf Eis. Es blutet. Es weint. Es will nicht gehen, will sich festkrallen an irgendetwas Lebendigem, und sein Blick fällt auf mich. Auf mich …
    »Julia? Julia!«
    Nikis Stimme holt mich in die Wirklichkeit. Sie könnte mich überall herausholen, selbst aus der Unterwelt. Gerade aus der Unterwelt, die dem Schlaf so ähnlich ist. Man darf sich nur nicht umblicken, das darf man nicht. Dem nachsehen, was hinter uns liegt. Himmel, wie tapfer muss man dazu sein!
    »Julia? Du hast geträumt, hörst du? Es war nur ein Traum.«
    Aber letzten Monat war es das eben nicht. Vor knapp einem Monat mussten wir gegen das Wolfswesen kämpfen. Das noch immer in den Schatten lauert, so sehr ich mich auch anstrenge, nicht hinzusehen. Ich bin nicht tapfer. Ich bin manchmal einfach nur verzweifelt müde nach all dem, was passiert ist.
    Seine Arme umfangen mich, Nikis Arme. Ich kann ihn riechen. Und würde wahrscheinlich sogar wieder einschlafen, als mir einfällt, dass morgen Montag ist. Und wir Schule haben.
    Ich schlage die Augen auf. »Wie spät ist es?«
    »Gleich zwölf. Geisterstunde.« Niki, auf dem Arm abgestützt, sieht auf mich herunter. Im Dunkeln kann ich ihn nicht genau erkennen, aber ich kann ihn fühlen. Die Hand, die locker über meiner Hüfte liegt, als würde sie dorthin gehören und dennoch von meiner Haut wahrgenommen wird, die ihre Wärme bis in mein tiefstes Inneres ausstrahlt.
    Diese Zeit dürfte niemals enden.
    Niki beugt sich runter und küsst mich.
    Nein, niemals.
    »Wir müssen eingeschlafen sein«, sagt er nah über meinem Gesicht.
    »Und wie.«
    »Derselbe Traum?«
    »Natürlich.«
    Seine Hand verlässt ihren angestammten Platz und wandert zu Regionen, die mich sofort alles vergessen lassen. Zuverlässig. Es ist das einzige, was die Dämonen weghält, aber leider keine gute Entschuldigung.
    Ich stöhne. »Meine Mutter. Bringt. Mich um.«
    Die Hand wartet nur kurz. Als müsse sie erst abwägen, ob sie überhaupt von meinem Körper zu trennen ist. Als ob es etwas anderes außer uns gibt. Dann, völlig unbeeindruckt von Zeit und Zwängen, wandert sie zwischen meine Schenkel. Alles Weitere ist Natur. Das Atmen, Seufzen, der Mund auf meinem, der Körper, der sich auf mich rollt …
    Als wir das nächste Mal nachsehen, ist es zwei Uhr. Zwei Uhr nachts!
    »Jetzt bringt sie mich wirklich um«, sage ich und bin mit einem Satz aus dem Bett. Schaudernd suche ich meine Sachen zusammen. Es ist kalt, Gänsehaut kriecht mir über den Körper. »Was ist? Kommst du?«
    »Noch mal? Nicht in dieser Nacht, my nyas.«
    »Puh, das ist geschmacklos. Nun los, raus aus dem Bett.«
    Niki seufzt, setzt sich aber wenigstens auf die Bettkante. Als ich das Licht anknipse, hält er sich den Unterarm vor die Augen. »Das ist echt grausam von deiner Mutter, weißt du das?«
    »Nun los.« Mit den Fingern versuche ich, mir wenigstens einigermaßen durch die Haare zu kämmen. »Immerhin lässt sie mich schon samstags hier übernachten. Aber morgen ist Schule!« In ein paar Stunden, wenn man es genau nimmt.
    Ungeniert beobachte ich, wie Niki zum Stuhl wankt, in seine Jeans schlüpft, sich einen Pullover überzieht. Ich kann mich immer noch nicht sattsehen an ihm und frage mich, ob das je aufhört. Hoffentlich nicht. »Wenn wir jetzt einen Unfall haben, werden sich deine Retter schön wundern, dass du keine Unterwäsche trägst.«
    Niki grinst mich an. Was ihn erst recht unwiderstehlich macht: Die lockigen, dunklen Haare hängen ihm wirr über die tiefblauen Augen, der Piercingring an seinem Mundwinkel funkelt. »So kalt ist es gar nicht mehr. Und wer weiß: Vielleicht kümmert sich ja eine attraktive Sanitäterin um mich.«
    »Wehe.« Ich bewerfe ihn mit seinen Socken. »Zieh wenigstens die an. Du holst dir noch den Tod.«
    Er macht nicht nur das, er setzt sich auch noch seine Strickmütze auf. Zieht mich noch einmal an sich und küsst mich, während er gleichzeitig die Tür öffnet.
    Sherlock liegt wie immer in seinem Korb und würdigt uns keines Blickes, als wir an ihm vorbeischleichen. Das heißt: Ich schleiche. Niki geht ganz normal.
    »Ehrlich wahr: Dieser Hund ist der schlechteste Wachhund der Welt«, flüstere ich.
    »Sherlock ist eben cool. Aren’t you, Sherlock? You’re really cool.« Er gibt dem Basset einen Klaps auf den Rücken, was der völlig ignoriert.
    Der Hund versteht kein Englisch und auch keine andere Sprache, soviel ist sicher. Er schnarcht, als ich über ihn hinwegsteige.
    »Sehr cool,
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