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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt
Autoren: Marie Lucas
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erwarte das Schlimmste. Spüre auch keine Schmerzen, nur Entsetzen, als das Gewicht mit einem Mal verschwindet. Glas klirrt, ich fahre herum. Und sehe gerade noch, wie zwei ineinander verschlungene Gestalten gegen das Sideboard taumeln. Flaschen und Gläser klirren, fallen zu Boden. Das Wesen hockt mitten in den Scherben und zischt.
    Über ihm steht schweratmend Niki und reibt sich die Schulter.
    »Hallo Erik«, sagt Felix vom Eingang der Bibliothek her. »Du wolltest uns sprechen?«

16 . Kapitel
    D as Wolfswesen hockt mit hängenden Armen da. Von seiner rechten Hand läuft ein Rinnsal dunkle Flüssigkeit den Schrank herunter und tropft auf den Boden: Wahrscheinlich hat es sich geschnitten. Für einen kurzen Moment sieht es fast so aus, als habe es Angst. Aber nur kurz. Dann besieht es sich seine Hand, leckt das Blut ab und schmatzt. Allein bei dem Geräusch dreht sich mir der Magen um.
    »Dann schieß mal los.« Niki lässt das Wesen nicht aus den Augen, tritt aber zwei, drei Schritte zurück. Noch immer massiert er seine Schulter. »Viel Zeit bleibt dir nicht mehr. Oder wie lange kannst du Erik noch halten?«
    Ich bin vor Angst immer noch wie erstarrt. »Niki«, kann ich gerade so herausbringen. Es hat nicht funktioniert. Oh nein: Ich wollte Felix hierhaben. Ihn allein. Das hätte uns noch ein bisschen Zeit verschafft. Zeit, in der Justin angerufen hätte. Gemerkt hätte, dass etwas nicht stimmt, und vielleicht (vielleicht!) zurückgekommen wäre: So war zumindest mein nicht gerade wasserdichter Plan.
    »Schon gut.« Niki macht eine abweisende Handbewegung. »Kann nicht mehr lange dauern.« Er lächelt, nickt mit dem Kopf. »Na komm schon. Du willst es doch. Willst
mich
doch.«
    Er weiß es. Oder ahnt es zumindest.
    Das Wesen lächelt nicht. Es knurrt.
    »Du willst in meinen Kopf?« Niki deutet mit Zeigefinger und abgespreiztem Daumen auf seine Schläfe. »Dann hol ihn dir.«
    Er hat es wütend gemacht, und wie. Aus irgendeinem Grund gerät es durch diese Geste fast außer sich vor Wut. Knurrend und geifernd springt das Wesen vom Sideboard, kümmert sich nicht um die Scherben, in denen es landet, und kommt langsam auf Niki zu. Blut tropft von seiner verletzten Hand herab. Inzwischen hat es nur noch entfernte Ähnlichkeit mit Annis Bruder. Niemand, der es so sehen würde, könnte es jetzt noch mit einem Menschen verwechseln.
    Das Wesen sprintet los.
    Wolfswesen und Niki stürmen an mir vorbei.
    Felix ist verschwunden. Alles ging so schnell, dass ich es für Einbildung halten könnte. Wenn da nicht dieser Geruch wäre. Der Geruch nach Blut und saurer Milch.
    Ich brauche nicht lange, um mich zu fassen. Springe ebenfalls auf und folge den dreien. Ins Wohnzimmer, wo der Sturm immer noch ans Fenster peitscht und sogar die Stühle auf der Terrasse umherschiebt, als seien sie aus Pappe. Am Kamin vorbei, in dessen Nähe irgendwo der Fernseher verborgen ist, und in die Küche. Keuchend bleibe ich stehen, sehe mich um und lausche. Muss kurz daran denken, wie ich hier das letzte Mal Häppchen gegessen habe, auf Annis Party. Damals hatte ich Angst vor einem Film, unglaublich. Heute ist es Freddy Krueger persönlich, der hier im Haus herumläuft.
    In der Küche ist niemand, aber ich kann Blutflecken auf den Fliesen sehen. Wie Hänsel und Gretel ihrer Brotkrumenspur folge ich dem Blut in den Flur mit den vielen Bildern, anschließend den Glasgang entlang. Wieder prasselt Regen gegen das Glas, rüttelt der Wind an der Scheibe. Jetzt riecht es nach scharfem Chlor oder Putzmitteln. Und da ist auch schon die Eisentür: Die Blutspuren laufen direkt darauf zu, verschwinden dahinter.
    Ich muss all meinen Mut zusammennehmen, um die Tür aufzuziehen. Sie ist schwer, rutscht mir beim Zumachen fast aus der Hand und fällt nicht eben leise ins Schloss.
    Im Schwimmbad ist es stockdunkel, und ich bleibe stehen. Versuche verzweifelt, mir ins Gedächtnis zu rufen, wo Felix damals den Lichtschalter gefunden hat, kann mich aber beim besten Willen nicht mehr erinnern. Muss es auch nicht, denn auf einmal geht das Licht im Wasser an. Wie damals leuchtet es urplötzlich auf. Ich kann gerade noch das Wolfswesen sehen, das davor zurückzuckt. Und ich sehe Niki, der mit dem Rücken zum Becken steht, dem Wesen zugewandt.
    Und dann ist da wieder mein Auto. Das Wolfswesen ruft es hervor, um sich dahinter zu verstecken. Aber es ist nicht gut darin: Der Wagen flackert und ist durchsichtig.
    Hinter ihm kann ich das Wesen deutlich sehen. Es kriecht auf Niki
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