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Zwielichtlande

Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande
Autoren: E Kellison
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geschlagen!«, schrie Custo dem Lehrer zu, der es geschafft hatte, ihn rechtzeitig aufzuhalten. Sie konnten ihn doch nicht etwa am ersten Tag hinauswerfen, oder?
    »Und du hast zurückgeschlagen. Das reicht.«
    Kein Lehrer. Ein älterer Schüler. Nun, Custo konnte es auch mit ihm aufnehmen. Er warf sich mit dem Körper nach vorn und wirbelte herum. Seine Knöpfe sprangen ab, aber der andere Junge ließ ihn nicht los.
    »Ich bin Adam Thorne«, stellte er sich scheinbar unbeeindruckt vor, »und wir werden Freunde.«
    Custo wehrte sich gegen Adams Griff. Er trat auf die zierlichen Slipper des älteren Jungen – ein alberner Trick, aber Adam brachte ihn zu sehr aus dem Gleichgewicht, als dass er mehr ausrichten konnte.
    »Beste Freunde«, ergänzte Adam grimmig mit leiser Stimme. »Ihr anderen geht jetzt. Es ist weder die richtige Zeit noch der richtige Ort, Jungs.«
    Der dürre Junge rappelte sich aus dem Dreck auf und verschwand mit dem Rest der Gruppe. Als sie sich noch einmal zu ihm umdrehten, hob Custo drohend das Kinn. Wagt es ja nicht.
    Adam hatte ihm an jenem Tag das Leben gerettet. Wäre er noch einmal von der Schule geflogen, hätte man ihn zurück auf die Straße geschickt. Für immer.
    Spencers Funkgerät surrte durch Custos verschwommene Erinnerungen.
    »Sag das noch mal«, forderte Spencer. »Adam ist hier?«
    Custos Herz zog sich zusammen. Verflixter dummer Held.
    »Ich glaube, wir brauchen dich nicht mehr«, zischte Spencer Custo böse ins Gesicht. »Das war viel zu einfach.«
    Nein! Warte! Er musste ihn warnen.
    Ein heftiger Schmerz, und Custos Bewusstsein floss aus ihm heraus wie Wasser aus einem Terrakottatopf, sein Leben zerfiel in Stücke. Auf einmal konnte er das gesamte Loft überblicken, ein sechster Sinn, der offenbar verstärkt auftrat, nachdem alle anderen ausgefallen waren.
    Adam und Talia befanden sich in dem großen Raum neben dem Fahrstuhl, dunkle Schatten strömten in seidigen Wellen aus Talias Richtung. Sie stand am Rande der Zwielichtlande, einen Fuß in der sterblichen Welt, den anderen im Jenseits und trieb die dunklen Schatten von dort in den Raum, sodass die anderen sie nicht sehen und fassen konnten.
    Auch um Custos Verstand waberten Schatten. Aus der Dunkelheit blitzten Erinnerungen auf. Seine erste Freundin, Janet Summerton, mit ihren tollen Brüsten und den rotblonden Haaren. An der Universität, immer noch auf Vaters Kosten, sein Zimmergenosse ein Streber mit Stipendium. Adams verzweifelter Hilferuf, als sein Bruder Jacob verrückt geworden war – sich in einen Geist verwandelt und seine Eltern umgebracht hatte. Die Erinnerungsblitze näherten sich mit jedem Herzschlag der Entscheidung, das Loftgebäude zu betreten, um Adam und Talia zu treffen, obwohl dort ganz offensichtlich Gefahr lauerte.
    Und Custo würde es wieder tun. Mein Leben für seines.
    Spencer durchquerte den Raum und stellte sich mit der Waffe vor der Brust vor die Schlafzimmertür. Er bemerkte nicht, dass sich die Wände auflösten und an ihrer Stelle dunkle Bäume zu einem Wald heranwuchsen. Schwarze Stämme und skelettartige Zweige ragten in einen violetten Himmel mit funkelnden Sternen auf, an jedem ein Kometenschweif, der durch den Gang der Zeit wehte.
    Als gerade ein grauer Wind durch das Zimmer peitschte, trat Adam die Tür zum Schlafzimmer ein und jagte der Geisterfrau zwei Kugeln in den Kopf. Die Frau sackte mit weit aufgerissenen Augen in sich zusammen, aber sie wollte, konnte nicht sterben. So lautete der Handel – sie musste ein grausames Dasein führen und sich von Seelen ernähren, dafür war sie unsterblich.
    Adam und Spencer sprachen wütend miteinander, doch die Worte gingen im Zischen der peitschenden Schatten unter. Als Adam Custos geschundenen Körper auf dem Stuhl entdeckte, verschwand Spencer aus dem Raum.
    Adam, es gibt noch einen Verräter in Segue, sagte Custo.
    Aber Adam gab nicht zu erkennen, dass er die Warnung gehört hatte. Er sank vor Custos Stuhl auf die Knie.
    Adam! Hör mir zu!
    Die Bäume wuchsen zu voller Größe, ihre Äste formten einen dunklen Tunnel Gott weiß wohin.
    Adam!
    Custo blickte sich ein letztes Mal zur sterblichen Welt um. Adam hatte seine Fesseln zerschnitten und versuchte, ihn mit von Wut und Kummer verzerrtem Gesicht auf das Bett zu schleppen.
    Nicht nötig. Das ist es nicht wert. Das ist es niemals wert. Aber natürlich konnte Adam ihn nicht hören.
    Die Dunkelheit bebte, Schatten über Schatten. Etwas kam auf ihn zu.
    In der Tiefe schimmerte etwas
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