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Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande

Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande
Autoren: Erin Kellison
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Folie verpackte, schwere, sinnliche Sünde.
    »Friedensangebot«, schrie Melanie über den Bandlärm hinweg.
    »Danke.« Talia nahm vorsichtig die Tafel entgegen, um nicht Melanies Haut zu berühren und von ihren negativen Emotionen überschwemmt zu werden. Talia zwang ein Lächeln auf ihr Gesicht. Sie hoffte, dass es natürlicher wirkte als es sich anfühlte. Von dem Augenblick an, als Talia vor acht Monaten hier eingezogen war, hatte Melanie herumgezickt. Aber die Miete und die Lage waren zu gut gewesen, um noch einmal umzuziehen.
    »Damit du nach dem Vorstellungsgespräch etwas zum Feiern hast«, stellte Melanie klar. »Ich hätte dir gratulieren müssen, nachdem du deine Doktorarbeit verteidigt hattest. Das war nicht nett von mir. Tut mir leid. Ich wünsche dir wirklich nur das Allerbeste. Also … herzlichen Glückwunsch, Dr. O’Brien.«
    Bei Glückwunsch verstummte die Musik. Das geschriene Doktor , das anschließend folgte, wirkte sich wundersam auf Talias Stimmung aus. Auf einmal konnte sie alles verzeihen. Sie würde für ihre ganze Arbeit belohnt werden. Nicht mit Geld, nicht in den eher esoterischen Sozialwissenschaften. Aber bald – bitte, lieber Gott – würde sie eine großartige Stelle an einer renommierten Universität innehaben.
    Vorlesungen, Veröffentlichungen, Förderungen. Herrje.
    Und ihre eigene Wohnung, obwohl die Mietpreise in der Nähe des Campus in astronomischen Höhen lagen. Trotz Melanies plötzlichem Bemühen wollte sie keine Mitbewohner mehr haben, aber vielleicht Freunde. Wer weiß? Wenn sie sehr, sehr gut war, konnte sie vielleicht ein richtiges Leben führen. Sie würde womöglich sogar als normal durchgehen. Okay, jetzt ging ihre Fantasie mit ihr durch. Sagen wir unauffällig.
    »Wieso brechen wir sie nicht an und machen die Friedenserklärung amtlich?«, schlug Talia vor. Nur ein Stück würde ihre Nerven erheblich beruhigen.
    »Nein. Die ist für nach dem Gespräch.« Melanie winkte abwehrend in Richtung Tafel und zog sich über die Schwelle zurück.
    Na gut . Verschwisterung vorbei. Aber es war nett. Ein gutes Ende.
    Talia steckte die Schokolade in ihr Handgepäck. Um nichts auf der Welt würde diese köstliche Tafel die Wartezeit am Flughafen überleben und schon gar nicht bis morgen Abend, bis das Vorstellungsgespräch in Berkely, das Studentenpanel und die Besichtigung des Campus endlich vorbei waren.
    Ein erneutes Pochen erschütterte die Wohnung. Talia runzelte die Stirn. Das ausdauernde Klopfen stammte nicht von der Band nebenan. Dazu war es nicht nervig genug, aber es war nah.
    »Das kommt von der Wohnungstür«, stellte Melanie fest. »Ich gehe schon. Pack du deinen Koffer fertig.«
    »Danke noch mal. Das ist wirklich süß von dir.« Aber Melanie war bereits gegangen. Da sich das Semester dem Abschluss näherte, war es vermutlich ihr letztes Gespräch.
    Talia wandte sich wieder ihrer Liste zu. Weiße Bluse , ja . Kostümjacke …
    Vereinzelte Wortfetzen drangen aus dem Flur zu ihr herüber. Eine unbekannte Frauenstimme dominierte, aber ein tiefes Brummen deutete daraufhin, dass auch ein Mann dabei war. Talia hielt den Kopf schräg und lauschte.
    »Was sagten Sie noch? Wie ist Ihr Name?« Wenn Melanie verärgert war, klang ihre Stimme sehr hart. Das konnte sie gut.
    Talia trat vor und spähte den Flur hinunter. Melanie packte die Klinke und versuchte, ihnen die Tür vor der Nase zuzuschlagen, was selbst für ihre Verhältnisse extrem unfreundlich war. Ihr Körper war in Alarmbereitschaft, und sie versuchte die Tür mit dem Fuß zuzuhalten.
    Irgendetwas stimmte nicht.
    »Nun, sie ist nicht da. Wegen des Bandlärms arbeitet sie dienstagnachmittags immer in der Bibliothek, aber ich richte ihr aus, dass Sie da waren.«
    Talia hielt sich im Hintergrund und wartete einen Augenblick. Sie hatte keinen Grund, die Lüge zu verderben. Wer auch immer es war, sollte schleunigst wieder gehen.
    Wieder sprach die Frau, wurde jedoch von dem plötzlichen Aufkreischen schräger Musik unterbrochen. Talia strengte sich an, konnte jedoch kein einziges Wort verstehen. Die Band hörte genauso abrupt wieder auf, das Schlagzeug endete mit einem halbherzigen Klatsch-Ratsch-Tapp.
    »Nein, Sie können nicht hereinkommen«, zischte Melanie. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass sie nicht da ist.«
    Als sie ein lautes Krachen am Eingang der Wohnung vernahm, erschrak Talia heftig. Sie ließ ihren Notizblock fallen und rannte den Flur hinunter.
    Die Eingangstür stand offen. Melanie lag mitten im Raum
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