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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht
Autoren: Dean R. Koontz
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die Kleider hingen grotesk an dem dämonischen Wesen herab, die langen Krallen hatten die Lederschuhe durchstoßen, und es schleppte sich mit bedrohlich gebleckten Zähnen in meine Richtung. Die mißgebildeten Schultern, Arme und Hüften mit ihren scheinbar überflüssigen Knochenauswüchsen erschwerten ihm die Fortbewegung, obwohl ich das Gefühl hatte, als würde es mit unerklärlicher Anmut und Geschwindigkeit vorankommen, wenn es nicht verwundet und geschwächt wäre. Nun, da der Filter der Menschenmaske verschwunden war, konnte man sehen, daß die roten Augen unheimlich glühten. Nicht etwa, daß sie durch Lichtreflexion geleuchtet hätten wie Katzenaugen im Dunkeln; nein, sie strahlten selbst ein blutfarbenes Licht aus, das in der Luft schimmerte und rote Streifen auf den dunklen Boden zauberte.
    Ich war einen Moment lang davon überzeugt, daß die Metamorphose den Feind tatsächlich zu heilen vermochte, und ich glaube noch immer, daß er sich aus diesem Grunde verwandelte. In Menschengestalt saß er sozusagen in der Falle und war zu einem schnellen Tod verurteilt, aber in seiner eigentlichen Identität verfügte der Troll über geheimnisvolle Kräfte, die ihn zwar vielleicht nicht retten konnten, ihn aber befähigten, mich zu verfolgen und umzubringen. Weil wir ganz allein waren, weil es keine Zeugen gab, riskierte der Troll diese Offenbarung seiner wahren Natur. Ich hatte etwas Derartiges schon einmal miterlebt, unter ähnlichen Umständen, bei einem Troll in einer Kleinstadt südlich von Milwaukee. Doch es war beim zweitenmal nicht minder schrecklich. Die Kreatur blähte sich in neuer Vitalität auf. Sie packte den Messergriff mit einer Krallenhand, riß die Klinge aus ihrem Hals heraus und schleuderte die Waffe beiseite. Geifernd, mit blutigem Schaum vor dem Maul, aber grinsend wie ein der Hölle entstiegener Teufel, kroch dieses furchterregende Wesen auf allen vieren auf mich zu.
    Ich schwang mich auf die Umzäunung und wollte gerade auf die Erde hinabspringen, als ich auf der breiten Straße, die am Autoskooter vorbeiführte, Motorgeräusche hörte. Das mußten die Nachtwächter sein, die ihre übliche Runde drehten.
    Das keuchende Ungeheuer hatte die Umzäunung fast erreicht. Sein kurzer, dicker Schwanz klopfte gegen die Bretter, und es starrte mit irrer Mordlust zu mir empor.
    Der Wagen näherte sich, aber ich rannte ihm nicht entgegen. Ich konnte mich unmöglich hilfesuchend an die Männer wenden, denn ich wußte genau, daß der Troll mir nicht den Gefallen tun würde, seine wahre Gestalt beizubehalten. Vielmehr würde er sich hastig wieder tarnen, und ich würde die Wächter zu einem toten oder sterbenden Mann führen — meinem Mordopfer. Deshalb sprang ich, als das Scheinwerferlicht in Sicht kam, in den Pavillon zurück, über den Troll hinweg, der sich auf die Hinterbeine stellte und mich zu packen versuchte. Zum Glück verfehlte er mich knapp.
    Ich landete auf beiden Füßen, fiel auf Hände und Knie, rollte zur Seite, kam wieder auf alle viere und kroch durch den ganzen Pavillon, bevor ich mich umzudrehen und einen Blick zurückzuwerfen wagte. Die rubinroten glühenden Augen waren auf mich gerichtet. Der Unhold war durch die schwere Verletzung ohne jeden Zweifel sehr geschwächt und konnte nur noch auf dem Bauch kriechen, sehr langsam, wie eine tropische Eidechse in kaltem Klima. Doch obwohl ihm jede Bewegung sichtlich Qualen bereitete, schleppte er sich unter Aufbietung aller Kräfte auf mich zu. Er war noch etwa sechs Meter von mir entfernt.
    Die Scheinwerfer wurden immer heller, und dann tauchte die Fordlimousine auf. Sie fuhr sehr langsam, der Motor war leise, und auch die Reifen machten auf dem Sägemehl nur wenig Lärm. Die Lichter fielen auf die Straße, nicht auf den Autoskooter, aber einer der Wächter richtete jetzt den Strahl eines grellen Suchscheinwerfers auf den Pavillon.
    Ich preßte mich auf den Boden. Der Troll war viereinhalb Meter entfernt und rückte langsam aber sicher weiter vor.
    Das tailienhohe Geländer war sehr stabil, mit schmalen Zwischenräumen zwischen den dicken Brettern. Das war für mich äußerst günstig, denn obwohl das Licht des Scheinwerfers durch die Ritzen fiel, konnten die Wächter vom Wagen aus kaum etwas erkennen, zumindest nicht, solange die Limousine sich bewegte, wenn auch nur im Schrittempo.
    Der sterbende Troll stemmte sich mit seinen kräftigen Beinen ab und schob sich ruckartig ein Stück vorwärts, auf eine mondbeschienene Stelle. Ich sah, daß
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