Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
tiefen Abscheu und rasenden Zorn. Sie zeugten von einer Bösartigkeit, weitaus älter als das Menschengeschlecht, verzehrend wie eine Gasflamme, vernichtend wie der Blick der Medusa, der die tapfersten Krieger versteinerte. Doch noch schlimmer als diese Bösartigkeit war die unübersehbare Verrücktheit, ein unbeschreiblicher Wahnsinn, der jedes menschliche Fassungsvermögen überstieg und zu den schlimmsten Befürchtungen Anlaß gab. Denn diese Augen vermittelten mir die Erkenntnis, daß der Haß dieses Wesens auf die Menschheit nicht nur eine von vielen Facetten seiner Geisteskrankheit, sondern der Kern seines Wahnsinns war, daß das ganze Trachten und Handeln dieses krankhaften Hirnes einer einzigen Intention diente: so viele Männer, Frauen und Kinder wie nur irgend möglich leiden zu lassen und zu vernichten.
    Was ich in diesen Augen las, erfüllte mich mit Angst und Abscheu, und mich ekelte vor dem engen physischen Kontakt mit dem Troll, aber ich wagte nicht, ihn loszulassen, denn das hätte unweigerlich meinen Tod zur Folge gehabt. Stattdessen schmiegte ich mich sogar noch enger an ihn, wir stießen heftig gegen das Geländer und taumelten einige Schritte zurück.
    Er hatte aus seiner linken Hand eine Art Schraubstock gemacht und versuchte, die Knochen meines rechten Handgelenks zu zermalmen — zumindest aber wollte er mich zwingen, das Messer fallen zu lassen. Der Schmerz war grausam, aber ich hielt die Waffe fest, und schließlich überwand ich meinen Widerwillen und biß ihn ins Gesicht, in die Wange. Dann fand ich sein Ohr und biß es ab.
    Er schnappte nach Luft, verkniff sich aber stoisch jeden Schmerzenslaut, weil er offenbar sogar noch mehr als ich jedes Aufsehen vermeiden wollte. Doch obwohl er einen Schrei unterdrückte, war er nicht derart immun gegen Schmerz und Furcht, daß er den Kampf völlig ungerührt hätte fortsetzen können. Er schwankte, stolperte rückwärts, stieß gegen einen Stützbalken, griff sich an die blutende Wange und tastete verstört jene Stelle ab, wo soeben noch sein Ohr gewesen war, das ich inzwischen ausgespuckt hatte. Noch immer hielt er meinen rechten Arm über meinem Kopf fest, aber sein Griff hatte sich vor Schmerz unwillkürlich gelockert, und es gelang mir, mich loszureißen.
    Das wäre wohl der günstigste Moment gewesen, um ihm das Messer in den Bauch zu stoßen, aber meine Hand war infolge der abgeschnürten Blutzirkulation fast taub, und ich konnte die Waffe nur mit größter Mühe überhaupt halten. Ein Angriff wäre tollkühn gewesen, denn möglicherweise wäre das Messer meinen gefühllosen Fingern im entscheidenden Augenblick entglitten.
    Ich unterdrückte den heftigen Würgereiz, der vom Blutgeschmack in meinem Mund herrührte, und wich hastig zurück, die Waffe nunmehr in der linken Hand, während ich die rechte kraftvoll öffnete und schloß, um die Taubheit der Finger möglichst schnell zu überwinden. Als die Hand zu prickeln begann, wußte ich, daß sie in einigen Minuten wieder gebrauchsfähig sein würde.
    Selbstverständlich räumte er mir diese wenigen erforderlichen Minuten nicht freiwillig ein. In rasender Wut stürzte er auf mich zu und zwang mich, zwischen zwei Kleinautos auszuweichen und über ein drittes zu springen. Er verfolgte mich quer durch den Pavillon, und verglichen mit der Ausgangssituation, als ich mich unbemerkt an ihn herangeschlichen hatte, waren jetzt die Rollen vertauscht. Er war die Katze, die nicht einmal der Verlust eines Ohres abzuschrecken vermochte, ich war die Maus mit einer tauben Pfote. Und obwohl ich mich angesichts der tödlichen Bedrohung besonders schnell und geschickt bewegte und immer wieder Haken schlug, tat er, was Katzen stets bei Mäusen tun: Er verkürzte den Abstand trotz all meiner Tricks und Manöver.
    Diese langsame Verfolgungsjagd ging in unheimlicher Stille vor sich. Nur das dumpfe Dröhnen von Schritten auf dem Bretterboden, das knochentrockene Kratzen von Schuhsohlen auf Holz, das leise Rattern oder Quietschen der Autos, wenn wir an ihnen einen Halt suchten oder über sie hinwegkletterten, sowie unsere schweren Atemzüge waren zu hören. Keine Drohungen, keine Beschimpfungen, keine Appelle an die Vernunft, kein Flehen um Gnade, keine Hilferufe. Und keiner von uns wollte dem anderen die Genugtuung auch nur eines Wimmerns geben.
    Allmählich normalisierte sich die Blutzirkulation in meiner rechten Hand, und obwohl das Gelenk geschwollen war und schmerzte, glaubte ich mich genügend erholt zu haben, um
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher