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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht
Autoren: Dean R. Koontz
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er aus dem Hundemaul und aus der Schweineschnauze blutete.
    Dreieinhalb Meter.
    Er biß die Zähne zusammen, erschauderte und schleppte sich weiter. Sein Kopf war jetzt wieder im Schatten.
    Drei Meter.
    Ich rutschte auf dem Bauch rückwärts, um den Abstand zwischen mir und diesem lebendigen Wasserspeier zu vergrößern, erstarrte aber schon nach einem knappen Meter mitten in der Bewegung, denn der Wagen war plötzlich stehengeblieben, direkt neben dem Autoskooter. Ich versuchte mir einzureden, daß es einfach zur Routine der Nachtwächter gehörte, auf ihrer Route hin und wieder anzuhalten, daß sie bestimmt nichts Auffälliges im Pavillon gesehen haben konnten. Ich betete inbrünstig, daß dem tatsächlich so sein mochte. In einer warmen und schwülen Nacht wie dieser würden sie jedoch zweifellos mit geöffneten Fenstern unterwegs sein, und bei stehendem Fahrzeug könnten sie eventuell jedes Geräusch wahrnehmen, das ich oder der Troll verursachte. Ich traute mich deshalb nicht mehr, weiter vor meinem Feind zurückzuweichen, sondern blieb eng an die Bretter gedrückt regungslos liegen, während ich dieses verdammte Pech verfluchte.
    Die verwundete Kreatur zog scharf Luft ein und schob sich mit leisem Grunzen näher an mich heran. Jetzt war sie wieder nur drei Meter entfernt. Ihre roten Augen waren trüb und verschleiert, und in der Höllentiefe dieser schrecklichen Augen glomm nur noch ein schwaches Licht, geheimnisumwoben und unheilvoll wie die Laternen eines fernen Geisterschiffs bei Nebel auf sturmgepeitschter See.
    Die Wächter leuchteten vom Wagen aus mit dem Suchscheinwerfer die geschlossenen Buden auf der anderen Straßenseite ab. Dann schwenkte das Licht jedoch in weitem Bogen herum und erfaßte eine Seite des Pavillons. Helle Strahlen drangen durch die Spalte zwischen den Brettern und zauberten bewegliche Muster auf den Boden. Obwohl es unwahrscheinlich war, daß die Männer mich oder den Troll zwischen den vielen Kleinautos entdecken würden, war es keineswegs unwahrscheinlich, daß sie trotz des surrenden Motors das Keuchen des Unholds oder das dumpfe Dröhnen seines Schwanzes auf dem hohlen Boden hören würden.
    Ich hätte um ein Haar laut gekreischt: Krepier doch endlich, verdammt noch mal!
    Stattdessen zog er wieder die Beine an und stemmte sich kraftvoller denn je ab, so daß er gut anderthalb Meter auf einmal vorwärtskam und nur einen knappen Meter von mir entfernt auf dem Bauch landete.
    Der Scheinwerfer bewegte sich plötzlich nicht mehr.
    Die Wächter hatten etwas gehört.
    Ein greller Lichtstrahl fiel auf den Pavillonboden, zweieinhalb oder drei Meter zu meiner Linken. Ich konnte jede Einzelheit der Holzplanken bestürzend gut erkennen — die Maserung, die rauhe Oberfläche, die vielen Kratzer und Flecken. Ein winziger hochstehender Splitter kam mir wie ein riesiger Baum vor — so als würde der Scheinwerfer alles magisch vergrößern.
    Der Troll stieß zischend die Luft aus — und atmete nicht wieder ein. Zu meiner großen Erleichterung erlosch die Glut in seinen Augen nach einem letzten Aufflackern.
    Der Strahl des Scheinwerfers glitt in diese Richtung, hielt keine zwei Meter vom sterbenden Troll entfernt erneut inne.
    Und nun machte das dämonische Wesen eine weitere erstaunliche Verwandlung durch, ähnlich einem mit einer Silberkugel erschossenen Werwolf im Kino. Es tarnte sich, indem es wieder Menschengestalt annahm. Es verbrauchte seine letzte Energie, damit die Existenz von seinesgleichen unter normalen Menschen ein streng gehütetes Geheimnis bleiben konnte. Die dämonische Fratze eines Wasserspeiers war verschwunden. Ein toter Mann lag im Halbdunkel vor mir. Ein Toter, den ich auf dem Gewissen hatte.
    Ich konnte den Troll in ihm nicht mehr sehen.
    Die menschliche Hülle war nun keine transparente Glasur mehr, sondern ein dicker Farbanstrich, der nichts Geheimnisvolles in sich zu bergen schien.
    Der Ford fuhr auf der Straße einige Meter weiter und blieb wieder stehen. Der Suchscheinwerfer glitt von neuem an der Umzäunung entlang, entdeckte eine Lücke, huschte über den Boden des Pavillons und beleuchtete kurz den Absatz eines Schuhs des Toten.
    Ich hielt den Atem an.
    Ich konnte den Staub auf dem Absatz sehen, die abgetretene Gummisohle und einen winzigen Papierfetzen, der daran klebte. Natürlich war ich wesentlich näher an diesem Schuh als der Nachtwächter, der außerdem vermutlich im grellen Lichtstrahl etwas die Augen zusammenkniff, aber wenn ich so vieles so deutlich
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