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Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
Autoren: Delilah S. Dawson
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1.
    V or zwei Wochen hatte ich Mrs Steins Leichnam gefunden. Und nun war ich hier und wühlte in ihren Sachen herum. Es war nicht persönlich gemeint – ich hatte sie ja kaum gekannt. Und dieser Hausflohmarkt hier, der mir nun die Freiheit gab, in ihrem gruseligen alten Haus zu stöbern, war wahrscheinlich ihre eigene Idee gewesen – ein letzter Versuch, ihre Kinder zur Weißglut zu treiben.
    Als ich das Schild sah, musste ich einfach anhalten. Für eine Sterbende war Mrs Stein erstaunlich paranoid gewesen. Außer dem Schlafzimmer im Erdgeschoss des alten viktorianischen Hauses, in dem sie ihre letzten Tage verbringen wollte, hatte ich nie etwas anderes zu sehen bekommen, und die Chance, jetzt darin auf Entdeckungsreise zu gehen, war einfach zu verlockend – das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Dazu kam, dass ich mich von den meisten meiner weltlichen Besitztümer verabschieden musste, als ich mich von Jeff trennte. Und ich hatte noch eine Stunde Luft, bis es Zeit für meinen nächsten Patienten war.
    Ich schaute mir alles an, von vorne bis hinten. Zwar hatte ich weder das Geld noch den Lebensstil für unbezahlbare Antiquitäten, aber für kleine Kostbarkeiten war ich immer zu haben. Ein wenig Nippes, hübsche Bilder oder Modeschmuck könnten etwas Leben in mein leeres Apartment bringen. Das Beste entdeckte ich im Dachgeschoss – die paar Sonnenstrahlen, die hereindrangen, fielen auf Wände voller Bücher. Der reinste Himmel für mich.
    Die Kette hing von einem alten Schmöker herunter. Zuerst wusste ich nicht recht, was ich davon halten sollte. Ich nahm sie in die Hand und zog daran. Das flache Medaillon glitt zwischen den Seiten heraus, und in meinem Bauch kribbelte es vor Aufregung, so wie wenn man eine Überraschung aus der Schachtel mit den Cornflakes holt. Klar, es war angelaufen und schmuddelig, aber trotzdem eine Überraschung. Vielleicht sollte sich mein Schicksal endlich doch mal zum Guten wenden.
    Das Medaillon bezauberte mich – es war so alt und fremdartig. Ich hielt es ins spärliche Sonnenlicht und stellte mir vor, wie es glänzend um den Hals einer jungen Dame hing, als Teil einer epischen Geschichte voller Romantik, mit einem Prinz Charming, der sich nicht als ein überheblicher Arsch herausstellt, der einem die Seele aussaugt. Nicht dass ich verbittert wäre oder so. Ich wollte einfach nur ganz neu anfangen und dafür sorgen, dass mir dieser Abschied wirklich etwas Positives brachte.
    Ist schon komisch, wie sich eine Beziehung schleichend verändern kann. Es fängt mit stürmischem Liebeswerben an, mit dutzendweise Rosen, Poesie und Tanzen. Er kauft dir eine Zahnbürste und räumt eine Schublade für dich frei. Du ziehst bei ihm ein. Du gibst bei Kleinigkeiten nach, einfach um ihn glücklich zu machen. Die Vorhänge. Dein Haar, weil er denkt, du solltest es wachsen lassen. Dann kommen die größeren Sachen. Das Scheckbuch. Dein Job. Und dann das eine wirklich große Ding, das Baby, das du verlierst, das Geschenk, das er dir nicht geben will. Seine Erleichterung bei deinem Schmerz macht etwas in dir kaputt, und das ist der schwerste Abschied von allen.
    Und dann kommt der Tag, an dem dir klar wird, dass du im Grunde nur Spielzeug und Besitz eines Mannes bist, der dich komplett eingewickelt hat, bis du ein Vogel in seinem goldenen Käfig bist, beringt mit seinem perfekten Ehering, den er schon ausgesucht hatte, bevor er dich überhaupt getroffen hat. Dir wird klar, dass er nicht Pläne mit dir macht, sondern dich so manipuliert, dass du in seine Pläne passt, koste es, was es wolle. Dass du zu einem Abklatsch einer Illustriertenschönheit mutiert bist, mit nicht viel mehr im Kopf, und dass es nur allzu leicht war, die Kontrolle abzugeben. Und dann eines Abends schlägt er dich, und du kratzt dein letztes bisschen Würde zusammen und jagst den Bastard zum Teufel.
    Du sagst »das war’s«. Und dann gehst du. Und irgendwann kommst du woanders hin und lernst wieder hallo zu sagen.
    Also probierte ich es aus und sagte »hallo« zu dem Medaillon.
    Allein bei seinem Anblick verspürte ich ein Gefühl von Glück, das ich schon ganz vergessen hatte. Ein Gefühl von Hoffnung, von Genuss. Ich hatte ganz vergessen, wie gut es sich anfühlt, wenn man etwas für sich aussucht, wenn man etwas sieht und sagt: »Das will ich haben.«
    Es war hübsch, auf so eine leicht gruselig altmodische Weise. Auf einer Seite war ein großer flacher Stein – vielleicht ein Rubin, vielleicht auch nur Glas. Die andere
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