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Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
Autoren: Delilah S. Dawson
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funktionieren nie.
    Ich fuhr mit den Fingern darüber. Es musste doch einen Weg geben. Dann drückte ich auf den Stein auf der Vorderseite, und das Medaillon sprang auf.
    Ich schnappte nach Luft, als eine scharlachrote Flüssigkeit herausplatzte und Tropfen davon auf meine Hand spritzten.
    Was auch immer das war, es brannte, und ich ließ das Medaillon auf den Tresen fallen. Dort drehte es sich einen Moment lang und verteilte eine Reihe roter Punkte auf dem Stein.
    Ich ließ kaltes Wasser über meine Hand laufen. Die Flecken hörten auf zu brennen, aber sie gingen nicht ab. Ich schäumte sie mit antibakterieller Seife ein, aber die Flecken gingen immer noch nicht ab, also griff ich zur Nagelbürste. Als ich in den Spiegel schaute, sah ich mich selbst dort stehen, in einem uralten Trägerhemd und schlabberigen Pyjamahosen, wie ich meine Hand schrubbte, bis sie ganz wund und gerötet war. Die Flecken wirkten jetzt sogar deutlicher, also gab ich es auf.
    Ich fragte mich unwillkürlich, welche Sorte Witzbold aus alten Zeiten eine Säure, die rote Flecken verursachte, in ein Medaillon füllte und es dann in einem Buch versteckte? Das Ding war ja seine eigene Diebstahlsicherung.
    Und nun lag es ganz unschuldig auf dem Badezimmertresen inmitten einer Vielzahl böser roter Flecken. Sinnlos, die jetzt gleich wegputzen zu wollen.
    Dann schaute ich genauer hin und bemerkte, dass die roten Tropfen winzig kleine Löcher in den Granit geätzt hatten, wie Pockennarben. Kleine rote Löcher, in soliden Stein gebrannt. Verwirrt fuhr ich mit dem Finger darüber. Das ergab keinen Sinn – ich müsste ebenfalls lauter Löcher in der Haut haben. Hatte ich aber nicht.
    Aber darüber dachte ich jetzt nicht groß nach, denn ich war viel neugieriger auf das Medaillon selbst, das jetzt endlich offen war. Das rote Zeug war herausgelaufen, also hob ich es auf und hielt es ins Licht.
    Drinnen, unter Glas, war ein zierliches Porträt in Aquarell. Der Mann war faszinierend, und ich war wie gebannt von seinen durchdringenden Augen, die mich herausfordernd unter feinen, aber scharf gezogenen Brauen ansahen. Sein langes dunkles Haar sah aus, als habe er es nur Augenblicke zuvor aus einem ordentlichen Zopf gerissen und als Ausdruck der Rebellion offen hängen lassen, um den Maler zu ärgern. Sein Mund war schmal mit einem leicht unbarmherzigen Zug, die Lippen zu einem wissenden Schmunzeln verzogen. Seine Wangenknochen waren so scharf modelliert, dass man Papier damit hätte schneiden können. Er trug ein weißes Hemd mit hohem Kragen, der lässig offen stand, und um den Hals hing eine nicht gebundene indigofarbene Krawatte.
    Ich liebte Jane Austen, also war dieser Schurke mit Krawatte ganz mein Fall, sowas wie ein besonders ungezogener Mr Darcy. Er war das komplette Gegenteil des stämmigen, adretten, durch und durch amerikanischen Jeff – noch ein Punkt für den geheimnisvollen Fremden.
    Ich konnte beinahe sehen, wie eine Gedankenblase über seinem Kopf auftauchte. Trau’ dich.
    » Mich trauen? Was denn?«, fragte ich.
    Darauf gab er keine Antwort.
    Ich riss meinen Blick von dem Bild los und betrachtete die andere Seite des Medaillons, vielleicht war ja dort ein Porträt seiner Herzensdame. Doch stattdessen waren dort Worte eingraviert, und ich konnte sie beinahe erkennen.
    »Viernes toa meo,«, flüsterte ich und fuhr die Buchstaben mit dem Finger nach. Ich konnte ein paar Brocken Französisch und Spanisch, gerade genug, um ein Sandwich zu bestellen und zur Toilette zu finden, und die Wörter kamen mir seltsam vertraut vor, aber sie ergaben keinen Sinn. Vielleicht Portugiesisch? Oder Esperanto?
    »Wer bist du?«, fragte ich laut. »Und welche Frau hat dich an ihrem Herzen getragen?«
    Auch darauf gab er keine Antwort. Wahrscheinlich würde ich es nie erfahren. Es sei denn, ich ging morgen noch mal zu dem Hausflohmarkt und stöberte auf dem Dachboden nach Hinweisen. Vielleicht schlummerte irgendwo in dem Haus ein größeres Porträt, das mir entgangen war, oder irgendetwas stand in dem Buch. Ich war so mit der alten Dame und dem Medaillon beschäftigt gewesen, dass ich es gar nicht aufgemacht oder auch nur auf den Buchdeckel geschaut hatte. Aber es würde ganz einfach zu entdecken sein – ein Buch in tiefem Blutrot, das sich von all den anderen, verstaubten, braunen Schmökern abhob. Deshalb hatte ich es überhaupt erst entdeckt. Ich beschloss, morgen noch mal zu dem Hausflohmarkt zu gehen, klappte das Medaillon zu und hängte es mir wieder um den
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