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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht
Autoren: Dean R. Koontz
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sehen konnte, mußte er bestimmt wenigstens ein klein wenig erkennen können — und dieses wenige würde schon genügen, um meinen Untergang herbeizuführen.
    Zwei oder drei Sekunden vergingen.
    Dann noch zwei oder drei.
    Das Licht glitt zu einer anderen Lücke weiter, diesmal zu meiner Rechten, gut zehn Zentimeter vom anderen Fuß der Leiche entfernt.
    Grenzenlos erleichtert, holte ich tief Luft, hielt aber den Atem an, als der Scheinwerfer sich plötzlich zurückbewegte, bestimmt in der Absicht, die verdächtige Stelle noch einmal etwas genauer in Augenschein zu nehmen.
    In wilder Panik schob ich mich so leise wie nur möglich vorwärts, packte die Leiche bei den Armen und zog sie näher an mich heran, wenn auch nur um einige Zentimeter, um jedes laute Geräusch zu vermeiden.
    Wieder drang ein Lichtstrahl durch den Spalt, genau in Richtung des Schuhabsatzes des Toten. Ich hatte jedoch schnell genug gehandelt. Der Absatz befand sich jetzt zwei Zentimeter außer Reichweite des Lichts.
    Mein Herz klopfte zum Zerspringen, denn die Ereignisse der letzten Viertelstunde hatten meine Nerven stark strapaziert. Zwei Schläge pro Sekunde. Nach acht Schlägen — vier Sekunden — schwenkte der Scheinwerfer ab, und der Ford fuhr langsam die Straße entlang, auf den hinteren Teil des Geländes zu. Ich war in Sicherheit.
    Nein, nicht in Sicherheit. Nur in relativer Sicherheit.
    Ich mußte noch die Leiche wegschaffen und die Blutspuren beseitigen, bevor es hell wurde und die ersten Schausteller auftauchten. Als ich aufstand, schmerzten beide Knie, denn bei meinem Sprung vom Zaun, über den Troll hinweg, war ich höchst unsanft auf Händen und Knien gelandet — nicht gerade ein Beweis für die Geschmeidigkeit, derer ich mich zuvor gerühmt habe. Auch meine Handflächen waren aufgeschürft, aber ich durfte mich von diesen Lappalien ebensowenig behindern lassen wie von meinem geschwollenen Handgelenk und der schmerzenden Nacken- und Halspartie.
    Während ich auf die sterbliche Hülle meines Feindes hinabstarrte und überlegte, wie ich diese schwere Leiche transportieren könnte, fiel mir plötzlich mit Schrecken mein Gepäck ein, das ich beim Riesenrad liegengelassen hatte. Gewiß, Rucksack und Schlafsack waren kleine Gegenstände, die den Nachtwächtern im schwachen milchigen Mondschein wahrscheinlich gar nicht auffallen würden. Doch andererseits machten diese Männer so oft die Runde auf dem Rummelplatz, daß sie ihn wie ihre Westentasche kannten und genau wußten, was sie an jeder beliebigen Stelle eigentlich sehen müßten und was nicht. Ich konnte mir leicht vorstellen, daß ihre Blicke zunächst achtlos über den Rucksack und den Schlafsack hinweggleiten würden — nur um gleich darauf beunruhigt zurückzuschweifen, genauso, wie der Suchscheinwerfer unerwartet zurückgeschwenkt war, nur wegen des an sich so unauffälligen und doch verdächtigen Schuhabsatzes. Und wenn sie mein Gepäck fanden, wenn sie Beweise dafür hatten, daß irgendein Landstreicher nachts über den Zaun geklettert war, würden sie bestimmt schleunigst wieder zum Autoskooter fahren, um sich dort noch einmal gründlich umzuschauen. Und dann würden sie das Blut entdecken. Und die Leiche.
    O Gott!
    Ich mußte vor ihnen am Riesenrad sein.
    Ich schwang mich über das Geländer und rannte über den dunklen Rummelplatz, so als würde ich von Furien gehetzt.

3 -  Der wandelnde Leichnam
     
    Manchmal habe ich den Eindruck, als sei alles im Leben subjektiv, als könne im gesamten Universum nichts objektiv definiert und eingeordnet werden, als seien Physiker und Zimmerleute ausgesprochene Narren, wenn sie im Brustton der Überzeugung behaupten, mit Hilfe von Instrumenten und Berechnungen zu unumstößlichen Resultaten gelangen zu können. Zugegeben, ich vertrete diese Meinung hauptsächlich, wenn ich so deprimiert bin, daß mir die Fähigkeit zu logischem Denken abhanden kommt, und ich nur zweierlei tun kann: mich betrinken oder ins Bett gehen. Trotzdem möchte ich als schwachen Beweis für diese philosophische Konzeption die Wahrnehmungen und Empfindungen jener Nacht anführen, als ich vom Autoskooter zum Riesenrad hetzte, um den Nachtwächtern zuvorzukommen.
    Vor diesem Wettrennen war es mir so vorgekommen, als würde die Nacht vom Mond nur schwach erhellt. Nun aber empfand ich das Mondlicht nicht als gedämpft, sondern als grell; es war auch nicht mehr asch- oder perlfarben, sondern weiß und intensiv. Noch vor wenigen Minuten war der menschenleere
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